Lösung zu Rutschen auf Zylinder

Version vom 7. Mai 2007, 07:51 Uhr von Admin (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Anhand dieses Beispiels könnte man viel über Mechanik lernen. Leider ist dieses Problem im Laufe der Jahrzehnte so oft zerrechnet, mit unpassenden Begriffen wie Zentrifugalkraft oder sinnlosen Wörtern wie Zentripetalkraft verunstaltet worden, dass man diese Aufgabe als verantwortungsvoller Pädagoge kaum mehr stellen darf. Wer statt eines reibungsfrei gleitenden Körpers eine abrollende Kugel nimmt, hat sich endgültig ins didaktische Abseits manövriert, denn eine Kugel beginnt zu rutschen, lange bevor sie abhebt.

Der Eisklotz wird bis zum Abheben von der Normalkraft (Führungskraft) auf dem Kreisbogen gehalten. Danach wirkt nur noch die Gewichtskraft. Folglich hängt die Schnelligkeit wie bei der reibungsfreien Achterbahn nur von der Höhe ab.

1. Die einfachste Form der Energiebilanz besagt, dass die Summe aus potenzieller Energie und kinetischer Energie konstant bleibt.

[math]\frac {m}{2} v_1^2 + m g h_1 = \frac {m}{2} v_2^2 + m g h_2[/math]

Im Scheitel (Punkt 1) ist die Geschwindigkeit des Eisstückes gleich Null. Bezieht man die potenzielle oder Gravitationsenergie auf den tiefsten Punkt des als Vollzylinder gedachten Daches (Radius R), lautet die Energiebilanz

[math]m g 2R = \frac {m}{2} v_2^2 + m g R (1 + \cos(\varphi))[/math]

Die Geschwindigkeit (v : = v2) des Eisstückes in Funktion des Winkels φ ist demnach gleich

[math]v = \sqrt{2Rg (1 - \cos(\varphi))}[/math]

2. Im Scheitel ist die Normalkraft gleich der Gewichtskraft, weil das Eisstück praktisch im Gleichgewicht ist. Danach nimmt der Betrag der Normalkraft immer mehr ab. Im Moment des Abhebens fällt die Stützwirkung des Daches weg, die Normalkraft geht gegen Null.

3. In der Rutschphase wirken die Normalkraft und die Gewichtskraft auf das Eisstück ein. Nach dem Abheben beeinflusst nur noch die Gewichtskraft die Bewegung des Eisstückes. Wer hier etwas von Zentrifugalkraft faselt, sollte seine Kenntnisse in Mechanik gründlich aufarbeiten. Wer hier eine Zentripetalkraft einführt, sollte sich einmal grundsätzlich mit dem Begriff Kraft auseinandersetzen.

4. Im Moment des Abhebens geht die Kreisbahn knickfrei ein eine Wurfparabel über.

5. Die Impulsbilanz in Form des Aktionsprinzips von Newton degeneriert beim Abheben zu einer rein kinematischen Aussage

[math]\vec F_{Res} = \vec F_G = m \vec g = \dot {\vec p} = m \vec a[/math]

oder

[math]\vec g = \vec a[/math]

Mit dem Verschwinden der Normalkraft wirkt nur noch die Gewichtskraft. Folglich ist die Beschleunigung wie bei allen Würfen im Vakuum gleich der Gravitationsfeldstärke.

6. Die Beschleunigung, die auch im Moment des Abhebens gleich der Gravitationsfeldstärke ist, kann in eine tangentiale und in eine normale Komponente zerlegt werden. Die tangentiale Komponente macht das Eisstück schneller, die normale sorgt für die Krümmung der Bahn. Setzt man die Normalkomponente der Beschleunigung mit der Spezialformel für die Beschleunigung bei einer Kreisbewegung gleich, erhält man

[math]g \cos(\varphi) = \frac {v^2}{R} = 2 g (1 - \cos(\varphi))[/math]

Die Lösung dieser Gleichung liefert

[math]\cos(\varphi) = \frac {2}{3}[/math]

was einem Winkel von 48.2° oder 0.84 entspricht.

7. Jeder Reibung verkleinert die Schnelligkeit in Funktion der Höhe. Folglich rutscht der Körper um einen grösseren Winkel hinunter. Ein schleimiger Körper würde bis zu einem Winkel von etwa 90° rutschen.

Aufgabe