Modelica: Einführung: Unterschied zwischen den Versionen

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Ein Problem bleibt aber bestehen. Eigentlich hat man z.B. in einem hydraulischen Netzwerk nur wenige Bausteine (verschiedene Speicher, Rohrleitungen mit Widerständen, Ventile und Pumpen), die aber bei jeder Anwengung neu zusammengesetzt und konfiguriert werden müssen. Und da erleichtert die Objektorientiertheit das Modellieren ungemein. Die einzelnen Elemente (Speicher mit konstanter Kapazität, [[Blasenspeicher]], verschiedene Ventile, parametrisierbare Rohrabschnitte und Pumpen) werden genau einmal modelliert und dann in Bibliotheken abgelegt. Der Anwender kann dann diese Elemente so oft wie nötig der Bibliothek entnehmen, zusammenfügen, neu parametrisieren und dann unter verschiedenen Bedingungen simulieren.
Ein Problem bleibt aber bestehen. Eigentlich hat man z.B. in einem hydraulischen Netzwerk nur wenige Bausteine (verschiedene Speicher, Rohrleitungen mit Widerständen, Ventile und Pumpen), die aber bei jeder Anwengung neu zusammengesetzt und konfiguriert werden müssen. Und da erleichtert die Objektorientiertheit das Modellieren ungemein. Die einzelnen Elemente (Speicher mit konstanter Kapazität, [[Blasenspeicher]], verschiedene Ventile, parametrisierbare Rohrabschnitte und Pumpen) werden genau einmal modelliert und dann in Bibliotheken abgelegt. Der Anwender kann dann diese Elemente so oft wie nötig der Bibliothek entnehmen, zusammenfügen, neu parametrisieren und dann unter verschiedenen Bedingungen simulieren.


'''Video:''' [https://www.youtube.com/watch?v=Pd2qnxJUlRA Drei PET-Flaschen in Serie]
'''Video:'''


==akausales Modellieren==
==akausales Modellieren==

Version vom 2. April 2015, 14:14 Uhr

Einführendes Beispiel

Zwei zylinderförmige Gefässe sind über einen in bodennähe angebrachten Schlauch miteinander verbunden (kommunizierende Gefässe). Anfänglich ist das eine Gefäss voll und das andere leer. Nach dem Öffnen des Hahns fliesst so lange Wasser von einem Gefäss zum andern, bis beide Gefässe gleich hoch gefüllt sind. Handelt es sich um eine relativ zähe Flüssigkeit oder weist der Schlauch einen ziemlich kleinen Durchmesser auf, kann das Zeitverhalten dieses Systems mittels einer Exponentialfunktion beschrieben werden, wobei die Zeitkonstante aus dem Querschnitt der beiden Gefässe, Dichte und Viskosität der Flüssigkeit sowie Länge und Durchmesser des Schlauchs berechnet werden kann. Ist die Strömung turbulent oder sind die Gefässe nicht zylinderfömig, kann in der Regel keine Inhalts-Zeit- oder Druck-Zeit-Funktion mehr angegeben werden. Das ist aber heute kein Problem mehr, weil man die zugehörigen Gleichungen numerisch, also mit Hilfe eines Computers integriert. Im Fach Physik und Systemwissenschaft in Aviatik 2014 modellieren die Studierenden ähnliche Systeme schon in den ersten Wochen des ersten Semesters. Sie verwenden dazu Berkeley Madonna, ein systemdynamisches Tool, das man schon nach kurzer Zeit effizient einsetzen kann.

Video: Zwei PET-Flaschen (Berkeley Madonna)

Widerverwendbarkeit

Betrachten wir eine mit Wasser und Pressluft gefüllte PET-Flasche, die über einen dünnen Schlauch mit einer zweiten, leeren Flasche verbunden ist. Sobald wir die Verbingung mit dem Öffnen eines Hahns frei geben, wird der Druck zwischen den beiden Flaschen ausgeglichen. Zur Modellierung solcher Prozesse geht man von der Bilanz einer mengenartigen Grösse aus. Formulieren wir also die Volumenbilanz bezüglich der beiden Flasche

[math]-I_V=\dot V_1[/math] und [math]I_V=\dot V_2[/math]

Der Bezugspfeil für den positiven Volumenstrom zeigt von der ersten zur zweiten Flasche. Der Druck in den Flasche ergibt sich aus dem Gasgesetz. In guter Näherung können wir die Gesetzmässigkeit von Boyle-Mariotte (isotherme Expansion) voraussetzen. Damit gilt für das Speicherverhalten

[math]p=p_0\frac{V_0}{V_0-V}[/math]

wobei der Index 0 den Zustand der leeren Flasche beschreibt. Dieses Gesetz gilt für beide Flaschen, wobei die Summe der beiden Wasservolumen konstant bleibt. Also ist

[math]\dot V_1+\dot V_2=0[/math]

Der Volumenstrom wird durch die Druckdifferenz getrieben. Zudem ist die Strömung meist turbulent

[math]\left(p_1-p_2\right)=k_VI_V^2[/math]

Der turbulente Strömungswiderstand kV hängt von der Dichte der Flüssigkeit und stark vom Querschnitt des Rohres ab. Weitere Einflussfaktoren verpackt man in die Dimensionslose Verlustziffer.

Fügt man all diese Gleichunge zusammen, entsteht eine Differentialgleichung erster Ordnung. Wie weit und ob diese Gleichung geschlossen lösbar ist, muss den Praktiker nicht weiter kümmern, da er in die das System beschreibenden Funktionen (Druck-Zeit-Verhalten, Füllstand-Zeit-Verhalten) numerisch integriert. Zudem muss er nur die einzelnen Gesetze (Bilanz, kapazitives und resistives Gesetz) korrekt formuieren und nicht die fertige Differentialgleichung. Verwendet er eine graphische Oberfläche wie bei der Signalfluss- oder der systemdynamischen Modellierung, wird man bei den einzelnen Schritten (Bilanz bilden, resistives oder kapazitives Gesetz formulieren) durch die graphische Benutzeroberfläche unterstützt.

Ein Problem bleibt aber bestehen. Eigentlich hat man z.B. in einem hydraulischen Netzwerk nur wenige Bausteine (verschiedene Speicher, Rohrleitungen mit Widerständen, Ventile und Pumpen), die aber bei jeder Anwengung neu zusammengesetzt und konfiguriert werden müssen. Und da erleichtert die Objektorientiertheit das Modellieren ungemein. Die einzelnen Elemente (Speicher mit konstanter Kapazität, Blasenspeicher, verschiedene Ventile, parametrisierbare Rohrabschnitte und Pumpen) werden genau einmal modelliert und dann in Bibliotheken abgelegt. Der Anwender kann dann diese Elemente so oft wie nötig der Bibliothek entnehmen, zusammenfügen, neu parametrisieren und dann unter verschiedenen Bedingungen simulieren.

Video: Drei PET-Flaschen in Serie

akausales Modellieren

Die Kausalität im Sinne der Philosolphie beschreibt den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. Ursprünglich ging man von einer zeitlichen Abfolge aus, das heisst die Ursache geht der Wirkung voraus (der Stein fliegt gegen ein Fenster, worauf das Fenster in Brüche geht). In der Mechanik und in andern Gebieten der Physik entwickelte sich aus der Kausaltiät der Determinismus, d.h. Ursache und Wirkung sind durch eine mathematische Abhängigkeit ersetzt worden. Ein deterministisches System wird deshalb durch ein differential-algebraisches Gleichungssystem (Differential- und algebraischen Gleichungen) beschrieben. Um ein solches Gleichungssystem numerisch zu lösen, muss man es in eine bestimmte Form überführen. Dabei muss festgelegt werden, was die Eingangs- und was die Ausgangsgrösse einer auszuführenden Operation ist. Dieses Sortieren nach input und output nennt man auch Kausalisieren. Betrachten wir dazu die drei Basiselemente Kapazität, Widerstand und Induktivität eines elektrischen Netzwerkes

Element Gleichung Operation input output
Kapazität [math]I=C\dot U[/math] Integration I U
Induktivität [math]U=L\dot I[/math] Integration U I
Widerstand [math]U=RI[/math] Gleichung U oder I I oder U

Stehen zwei Grössen über eine Differentialbeziehung im Zusammenhang, ist die Kausalität gegeben: die Eingangsgrösse (input) muss zur Ausgangsgrösse (output) über die Zeit integriert werden. Sind zwei Grössen direkt voneinander abhängig, ist die Kausalität nicht a priori gegeben. Je nach Kontext muss nach der einen oder andern Grösse aufgelöst werden. So kann bei einem Widerstandselement der Strom die Spannung oder die Spannung die Stärke des Stromes festlegen. Will man nun eine Bibliothek mit widerverwertbaren Modellen aufbauen, darf die Kausalität nicht schon im Grundbaustein festgelegt sein. Erst im Kontext des Gesamtmodells wird festgelegt, welches die Eingangsgrösse und welches die Ausgangsgrösse ist.

Diese Problematik des Kausalisierens lässt sich am Beispiel von zwei kommunizierenden Gefässen zeigen. Das einfache Modell besteht aus zwei Töpfen mit einem Verbindungsrohr, das als Strömungswiderstand wirkt. Ausgehend vom aktuellen Füllstand der beiden Gefässe kann mit Hilfe des kapazitiven Gesetzes der Druck an den beiden Enden des Verbindungsrohres berechnet werden. Die dadurch aufgebaute Druckdifferenz treibt den Strom an. Dieser Strom beeinflusst wiederum den Füllzustand. Die Kausalität geht somit vom Füllzustand über Druck und Stromstärke zurück zum Füllzustand. Nimmt man die Trägheit der Flüssigkeit dazu (hydraulische Induktivität), muss die Kausalität des Widerstandsgesetzes umgedreht werden. Die aktuelle Volumenstromstärke ergibt einen resistiven Druckabfall, der von der hydrostatisch aufgebauten Druckdifferenz abgezogen werden muss, damit man die induktiv wirkende Druckdifferenz erhält.

Bei der Signalflussmodellierung (z.B. Simulink) muss die Kausalität explizit mit dem orientierten Signalfluss modelliert werden. Bei der systemdynamischen Modellierung ist die Kausalität bei Rohr-Topf-Systemen (flow and stock,) implizit gegeben und muss nur bei den andern Verknüpfungen explizit mit einem Kausalpfeil (arrow, arc) angegeben werden. In Modelica ist die Kausalität in den Basiselementen nicht enthalten. Diese wird erst bei den Gesamtmodellen im Laufe eines Präprozessings (pruning) festgelegt.

Video: U-Rohr (Berkeley Madonna)

gleichungsbasiertes Modellieren

Die zentralen Elemente eines dynamischen Systems sind die Integratoren (1/s in Simulink oder Töpfe in der Systemdynamik). Die weiteren Verknüpfungen werden sowohl in der Signalfluss als auch in der systemdynamischen Modellierung kausal aufbereitet eingegeben. In Modelica darf dagegen das ganze Systemverhalten durch Gleichungen, also in der gewohnten mathematischen Sprache formuliert werden. So kann man das Verhalten eines Ohm'schen Widerstandes mit Hilfe des Widerstandes R oder des Leitwertes G formulieren

[math]U=RI[/math] oder [math]I=GU[/math]

Verbindet man drei elektrische Elemente mit je einem Konnektor zu einem Knoten, werden automatisch folgende Gleichungen generiert (I steht für Stromstärke und φ für elektrisches Potential

[math]I_1+I_2+I_3=0[/math]
[math]\varphi_1=\varphi_2[/math]
[math]\varphi_2=\varphi_3[/math]

Durch dieses Modellierungsverfahren entstehen sehr viele triviale Gleichungen, die aber vor der Simulation durch Sortieralgorithmen eliminiert werden. Schwieriger zu handhaben sind die echten, meist nichtlinearen Gleichungssystem. Obwohl die Regeln und Möglichkeiten in der Sprache Modelica festgelegt sind, können nicht alle Tools gleich gut damit umgehen. Als Testsystem kann man drei PET-Flaschen nehmen, deren wegführenden Schläuche mittels eines T-Stücks zu einem Knoten zusammen gefügt sind. Dieses Beispiel ist in der Systemdynamik nur modellierbar, wenn man dem Knoten auch noch eine Kapazität zuschreibt.

Video:

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