Räuber-Beute-Modell
Das Räuber-Beute-Modell ist ein recht einfaches Beispiel aus der Populationsdynamik. Das Modell zeigt ein einfaches zeitliches Muster: je mehr Beutetiere vorhanden sind, desto mehr Räuber (Prädatoren) finden Nahrung. Die Population der Räuber nimmt daher – zeitlich verschoben zur Population der Beutetiere – zu. Durch die Vernichtung der Beutetiere sinkt auf Grund der fehlenden Nahrung – ebenfalls mit einem gewissen zeitlichen Verzug – die Anzahl der Räuber. Zwischen Räuber und Beutetier entwickelt sich ein dynamisches Gleichgewicht. In der Natur stimmen Räuber und Beute ihr Verhalten immer stärker aufeinander ab, was im Modell nur durch eine Anpassung der Parameter nachvollzogen werden kann.
In der theoretischen Biologie werden die dynamischen Eigenschaften von Räuber-Beute-Beziehungen mittels verschiedenen Variationen des Grundmodells untersucht. Am bekanntesten sind die Arbeiten des österreichischen Mathematikers Alfred James Lotka und des italienischen Mathematikers und Physikers Vito Volterra, die 1925 und 1926 unabhängig voneinander die heute nach ihnen benannten Lotka-Volterra-Gleichungen formulierten. Dieses System mit zwei nichtlinearen Differentialgleichungen wird der quantitative Aspekt der Populationsentwicklung unter interspezifischer Konkurrenz dargestellt.
Schneehasen und Luchse
Aufzeichnungen der Hudson-Bay-Company über den Eingang der Felle von Luchsen und Schneehasen zeigen regelmässige Schwankungen mit einer Periode von 6,9 Jahren. Wir entwickeln nun das Modell eines Räuber-Beute-Systems. Zunächst betrachten wir die beiden Populationen von Füchsen und Hasen getrennt. Als Zeiteinheit wird hier die Woche genommen. Der Bestand an Füchsen vergrössert sich mit der Zufuhr von Futter und verringert sich entsprechend dem Energieverlust zur Erhaltung der Lebensvorgänge. Dieser Erhaltungsbedarf ist hier mit 0.2 pro Woche angesetzt, d.h. ohne Nahrungszufuhr würde ein Fuchs pro Woche 20% seines Energievorrats verlieren. Im stationären Zustand müsste die Nahrungszufuhr dieser Menge entsprechen. Bezüglich der Hasenpopulation gehen wir von einer Verdopplung der Population in 9 Wochen aus, was einer spezifischen Zuwachsrate von etwa 0.08 pro Woche entspricht.
Je mehr Hasen es gibt, um so mehr stehen den Füchsen als Beute zur Verfügung. Je mehr Füchse es gibt, um so mehr Hasen werden den Füchsen zur Beute fallen. Das Produkt aus Hasen und Füchsen kann daher als Mass dafür genommen werden, wie viele Hasen den Füchsen zur Beute fallen. Jeder erlegte Hase bringt dem Fuchsbestand einen entsprechenden Gewinn und bedeutet einen entsprechenden Verlust für den Hasenbestand. Für die Festlegung der Faktoren gelten folgende Überlegungen: bei einer mittleren Zahl von 500 Hasen und 10 Füchsen sollen die Füchse ihre Verluste von 10*0.2=2 ersetzen können. Wird angenommen, dass ein Fuchs die Biomasse von 5 Hasen hat, so entspricht der Gewinn von 2 Fuchseinheiten pro Woche einem Verlust von 10 Hasen pro Woche.