TWI

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Geschichte

„Ein Technikum für die Schweiz“ forderte 1866 der Ingenieur, Mathematiklehrer und zukünftige erste Direktor des Technikums, Friedrich Autenheimer (1821-1895), in vier Artikeln im Berner „Bund“. Seine Arbeit als Fachmann für Kesselanlagen, bei der er mit Aufträgen für Inspektionen und Expertisen überhäuft wurde, liess ihn zur Überzeugung gelangen, dass eine Schule für technisches Kader notwendig sei, um den Mangel an fähigen Berufsleuten zu beheben. Damit traf Autenheimer in Winterthur auf lebhaftes Interesse in Politiker- und Industriekreisen, wo er als Kontroll- und Oberingenieur eine angesehene Persönlichkeit war.

Winterthur mit ca. 20000 Einwohnern und 1200 Arbeitern und Angestellten bei Sulzer war um 1870 stark geprägt vom Gegensatz zwischen industriellem Aufbruch und wirtschaftlicher Depression. So ist es nicht verwunderlich, dass die Stadt eine Vorreiterrolle bei der Gründung des ersten Schweizer Technikums übernahm.

Gründerjahre

Während die Zürcher Stimmberechtigten 1872 ein neues Schulgesetz verwarfen, das auch die Gründung eines kantonalen Technikums nach Autenheimers Plänen vorsah, nahm Winterthur das Gesetz mit grosser Stimmenmehrheit an. Der damalige Stadtpräsident Johann Jakob Sulzer beantragte daraufhin beim Zürcher Kantonsrat die Gründung eines Technikums mit der gleichzeitigen Verpflichtung, dass dieStadt alle Gebäude und die Hälfte aller anfallenden Jahreskosten übernähme. 1873 bewilligten Kantonsrat und Stimmberechtigte die Gründung eines Technikums.

Nun nahm man die Verwirklichung der Pläne rasch in Angriff: Im Februar 1874 wurde Autenheimer zum Direktor gewählt, am 2. Mai fand der erste Konvent statt und bereits zwei Tage später wurden die ersten Aufnahmeprüfungen absolviert. Das Technikum entwickelte sich wunschgemäss. Einzig Disziplinarfälle beschäftigten den Direktor und die Aufsichtskommission, nicht zuletzt deshalb, weil Winterthur in jenen Jahren noch keine Polizeistunde kannte und laut zechende Technikumschüler für Ärger und Unmut sorgten. Zunehmende Meinungsverschiedenheiten zwischen dem undiplomatischen Autenheimer und Konventsmitgliedern sowie eine polizeiliche Ermittlung gegen einen Lehrer führten im März 1881 zum Rücktritt des ersten Direktors, der aber noch 12 weitere Jahre als Lehrer für Mechanik am Technikum unterrichtete.

Die Schulen von 1874 bis 1999

Das Technikum startete 1874 mit fünf „Schulen“, wie die verschiedenen Abteilungen bis weit ins letzte Jahrhundert hiessen. Dazu gehörten:

  • die Schule für Bautechniker (1874 bis heute mit anderer Bezeichnung)
  • die Schule für Maschinentechniker (1874 bis heute mit anderer Bezeichnung
  • die Handelsschule (1874-1968)
  • die Kunstschule (1874-1915)
  • die Geometerschule (1874-1916)

Die Schule für Maschinentechnik bildete seit der Gründung das Rückgrat des Technikums. Eine kontinuierliche Zunahme der Schülerzahlen führte dazu, dass ab 1918 sogar fünf Klassen geführt wurden. Im Gegensatz dazu musste 1915 die Kunstschule schliessen, u.a. wegen geringer Schülerzahlen, Konkurrenzierung durch die Zürcher Kunstgewerbeschule und nicht bewilligter Investitionen für den Neubau von Ateliers. Ein Jahr später schloss die im In- und Ausland anerkannte Geometerschule, welche die schweizerische Grundbuchvermessung überhaupt erst ermöglicht hatte. Als der Bundesrat in einem Reglement die Akademisierung des Lehrgangs vorschrieb, besiegelte er ihr Ende.

Gründung neuer Schulen

Bereits 1875 entstand die Schule für Chemiker, die mit acht Schülern und einem Hospitanten startete. Sie verzeichnete bis zum ersten Weltkrieg den höchsten Anteil ausländischer Schüler. Auch fand sich hier, neben der Handelsschule, die grösste Zahl an Frauen. In seinem Rückblick auf 50 Jahre Technikum erwähnte der damalige Direktor Louis Calame 1923, dass die Chemikerinnen sich „in der Praxis durchaus bewährt hätten“. Ab 1886 folgten weitere Schulen:

  • die Schule für Elektrotechniker (1886 bis heute)
  • die Schule für Feinmechaniker (1895-1907)
  • die Schule für Eisenbahnbeamte (1900-1923)
  • die Schule für Tiefbautechniker (1914 bis heute)

Die Schule für Elektrotechniker ging aus der Schule für Maschinentechniker hervor. 1932 erfolgte die endgültige Trennung in zwei Abteilungen.

Als neunte Schule des Technikums wurde 1900 die Eisenbahnschule eröffnet, die der administrativen Ausbildung von Bahnpersonal diente. Sie wurde 1920 der Handelsschule angegliedert und 1923 aufgrund fehlender Perspektiven geschlossen. 1914 beschloss der Zürcher Regierungsrat, anstelle der Geometerschule eine Schule für Tiefbau zu eröffnen. Nachdem zunächst genügend Schüler die Schule besuchten, sanken die Zahlen 1929 auf alarmierende 10. Daraufhin reiften Pläne, den Tiefbau ab 1930 in die Schule für Bautechniker zu integrieren. Eine Anpassung des Lehrplans führte aber wieder zu mehr Studierenden und die Eigenständigkeit der Schule blieb gewahrt.

Die verschiedenen Abteilungen

Bis in die fünfziger Jahre wurden die verschiedenen Abteilungen des Technikums Schulen genannt. 1998 kam es zum Zusammenschluss der drei Teilschulen Technikum Winterthur Ingenieurschule (TWI), Zürcher Höherer Wirtschaftsschule (HWV) und Dolmetscherschule Zürich (DOZ) zur Zürcher Hochschule Winterthur (ZHW) , der 2001 schliesslich zur Bildung der vier Departemente führte:

  • Departement A Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen
  • Departement T Technik, Informatik und Naturwissenschaften
  • Departement W Wirtschaft und Management
  • Departement L Angewandte Linguistik und Kulturwissenschaften

Die Entwicklung der Studierendenzahlen

Die Schülerzahl entwickelte sich in den ersten dreissig Jahren des Technikums rasch:

1874 72 Schüler

1884 180 Schüler

1894 580 Schüler

1904 615 Schüler

Nach einem Absinken um ca. 100 Schüler in den zwanziger und dreissiger Jahren, stiegen die Zahlen wieder kontinuierlich an:

1944 über 700 Schüler

1956 über 800 Schüler

1957 wurde die Grenze von 1000 überschritten und erreichte

1962 mit 1205 Schülern einen vorläufigen Höchstwert, der im Wintersemester

1998/99 erstmals als Zürcher Hochschule Winterthur, mit über 1300 Studierenden übertroffen wurde.

Quelle: Eduard Blättler, Von der Lehranstalt zur Fachhochschule, 125 Jahre Technikum Winterthur 1874-1999, Winterthur 1999.

Winterthurer Reformen

Vom Technikum Winterthur gingen von Anfang an immer wieder Impulse zur sinnvollen Anpassung und Neugestaltung schulischer Strukturen und der Ausbildung aus. Das Bemerkenswerte ist die Tatsache, dass keine einzige dieser Reformen von oben diktiert wurde, sondern alle dem Konvent entstammten.

Kampf gegen das Berufsbildungsgesetz

Neben technischen Errungenschaften ist besonders das Engagement von Schule und Ehemaligen bei der Bekämpfung des diskriminierenden Berufsbildungsgesetzes von 1964 erwähnenswert. Das schweizerische Berufsbildungsgesetz diente vorallem dem akademischen Berufsschutz und benachteiligte die Absolventen der kantonalen Technika. Nach dem Krieg, als nicht wenige Absolventen im Ausland arbeiten wollten, entpuppte sich der Name Technikum als hartnäckiges Hindernis, weil die Absolventen als Techniker bezeichnet wurden. Im deutschsprachigen Raum waren die Namen Ingenieur und Ingenieurschule geläufig.

Seit seiner Wahl 1951 setzte sich Direktor Louis Locher für die Bezeichnung „Ingenieurschule“ ein, 1961 stimmte er dem Kompromiss „Technikum Winterthur Ingenieurschule“ zu. Am 28.Februar 1963 nahmen rund tausend Angehörige und Symphatisanten an einem Demonstrationszug teil und forderten auf Transparenten die Einführung des Namens „Ingenieurschule“. 3000 gesammelte Unterschriften wurden dem Kantonsrat als Petiton übergeben. Parlament und Zürcher Stimmvolk nahmen das revidierte Technikumgesetz an, so dass ab 1964 der offizielle Name „Technikum Winterthur (Ingenieurschule)“ lautete. Noch ein paar Jahre vergingen, bis die Bezeichnung TWI gebräuchlich wurde.

Auf nationaler Ebene war es bedeutend schwieriger: 1963 stimmten die eidgenössischen Räte dem neuen Berufsbildungsgesetz zu, das die Berufsbezeichnungen „Ingenieur-Techniker Höhere Technische Lehranstalt“ und „Architekt-Techniker Höhere Technische Lehranstalt“ einführte. Daraufhin beschloss der Verein der Ehemaligen, das Referendum zu ergreifen. 35000 gesammelte Unterschriften reichten für eine Volksabstimmung, die trotz Abstimmungsniederlage dazu führte, dass eine breite Öffentlichkeit über die Anliegen der HTL-Ausbildungsstätten informiert wurde. Die Schulleitung beschloss, diese Berufsbezeichnungen nie einzuführen. Seit 1964 heissen die Diplomierten des TWI offiziell Ingenieure HTL und Architekten HTL. Die Bezeichnungen Chemiker und Chemikerinnen waren von Anfang an unbestritten.

Das Winterthurer Modell

Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre wurde gesamtschweizerisch ein Vorschlag diskutiert, der das Resultat jahrelanger Arbeit verschiedener Konventskommissionen war und eine bildungspolitische Offensive darstellte. Eine grundlegende Studienreform sollte den Ausbildungsweg Berufslehre-Ingenieurschule wieder aufwerten, da dieser gegenüber dem Weg Mittelschule-Hochschule ins Hintertreffen geraten und nicht zuletzt aus Prestigegründen weniger attraktiv war. Ziel der Winterthurer Bestrebungen war, dem nichtakademischen technischen Bereich des tertiären Bildungssektors die gleichen Chancen und Anerkennung wie dem akademischen einzuräumen und die volkswirtschaftlich bedeutsamen HTL gesamtschweizerisch mit der gleichen materiellen und ideellen Sorgfalt zu fördern wie akademische Ausbildungsgänge.

An der Gesamtzeit des Ausbildung sollte sich nichts ändern, das Winterthurer Modell sah eine dreijährige praktische Ausbildung mit Fähigkeitsausweis und ein vierjähriges HTL-Studium vor. Trotzdem wurde es bereits auf der Stufe Aufsichtskommission fallen gelassen, vorallem wegen der Ablehnung durch die Arbeitgeberorganisationen.

Der Übertrittskurs UETHZ ab 1974

Trotz Ablehnung des Winterthurers Modells nahmen die Reformer das Gespräch mit der ETHZ auf, um das Verhältnis zwischen den technischen Hochschulen und den Ingenieurschulen in ein partnertschaftliches Miteinander zu verwandeln. Das entsprach der Überzeugung, dass beide Ausbildungsgänge volkswirtschaftlich notwendig sind und sich ergänzen sollten. In dreijährigen Verhandlungen entstand der Übertrittskurs HTL-ETHZ, der Absolventen einer HTL die Studienaufnahme im fünften Semester einer entsprechenden Fachrichtung der ETHZ ermöglicht. Auf Beginn des Wintersemesters 1974/75 startete der erste Kurs mit 25 Teilnehmern. 1999 konnte der UETHZ sein 25-jähriges Bestehen feiern. Im ersten eidgenössischen Fachhochschulgesetz von 1995 ist die Durchlässigkeit zwischen universitären Hochschulen und Fachhochschulen als Prinzip garantiert. Jedoch auch rund sechs Jahre nach Einführung des Gesetzes ist noch nichts geregelt, vorallem aufgrund der Blockierung durch die Universitäten.

Das vierjährige Reformstudium zwischen 1993 und 1995

Seit dem Amtsantritt von Direktor Bruno Widmer im Jahre 1971 herrschte erneut Aufbruchsstimmung am TWI, dessen Interesse nach wie vor auf die Zukunft der Ingenieurausbildung gerichtet war. Deutschland hatte inzwischen seine Ingenieurschulen in Fachhochschulen umgewandelt, deshalb wurde 1982 am TWI eine ständige Konventskommission gebildet, die sich mit einer umfassenden Reform des HTL-Studiums befasste. 1984 fand eine gesamtschweizerische Reformtagung statt, die jedoch keine befriedigende Lösung brachte. So entschloss sich das TWI zum Alleingang und stimmte 1987 einem vierjährigen Reformstudium zu, nicht zuletzt auch deshalb, um die Europakompatibilität herzustellen. In der Presse tauchte in dieser Zeit die Kurzformel „Reformdruck Technikum Winterthur plus Europa gleich Fachhochschule“ auf. 1990 stimmte der Kantonsrat zu, 1993 startete der erste Jahrgang.

Inzwischen musste jedoch gesamtschweizerisch auf den Druck der Europakompatibilität hin eine Reform des höheren Ausbildungswesen angepackt werden: die Gründung der Schweizerischen Fachhochschulen, die im eidgenössischen Fachhochschulgesetz von 1996 verankert wurde. Bereits 1997 begann der erste dreijährige Fachhochschuljahrgang. Ein FH-Studiengang durfte jedoch nur drei Jahre dauern - somit musste das TWI mit dem neuen FH-Status wieder zurück zu einer dreijährigen Ausbildung. Somit war das vierjährige Winterthurer Reformstudium von einer unerwartet schnellen Entwicklung überholt worden und nie aus der Testphase gekommen.

Dynamische Physik

Seit 1983 wird in Winterthur auf der Basis des Karlsruher Physikkurses ein Lehrgang entwickelt, der die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Ingenieurkunst kompakter, kohärenter und zeitgemässer darstellt. 1990 ist die systemdynamische Modellbildungstechnik in diesen Kurs integriert worden. Ab Mitte der 90er Jahre sind einige Dutzend Lehrkräfte von Befursmittel- und Fachhochschulen in mehreren Kursen mit der Philosphie und den Inhalten der Physik der dynamischen Systeme vertraut gemacht worden.