Änderungsrate

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Begriff

Die Änderungsrate ist einer der zentralen Begriffe der Physik der dynamischen Systeme. Auf Änderungsraten trifft man aber auch ausserhalb der Physik: Geburtenrate, Sterberate, Wachstumsrate. Mit Rate meint man in der Regel eine Veränderung pro Zeiteinheit. In der Physik gilt die Sekunde als Zeiteinheit, in der Wirtschaft bezieht man die Änderung oft auf ein Jahr.

Als Formelzeichne für die Änderungsrate nimmt man das Formelzeichen für die sich ändernde Grösse und setzt einen Punkt darüber. Die Einheit der Änderungsrate ist gleich der Einheit der sich ändernden Grösse dividiert durch Sekunde.

Definition

Die Änderungsrate bestimmt man aus der sich ändernden Grösse, indem die Veränderung dieser Grösse durch die dafür benötigte Zeitspanne dividiert wird

[math]\dot M = \frac {M(t_2) - M(t_1)} {t_2 - t_1} = \frac {M_2 - M_1} {t_2 - t_1}[/math]

Weil diese Grösse oft bilanzierfähig oder mengenartig ist, steht hier das Formelzeichen M für Menge. Der erste Differenzenquotient drückt den Sachverhalt präzis aus, der zweite entspricht der gängigen Schreibweise.

Solange die Änderungsrate konstant bleibt, ist die oben gegebene Definition der Änderungsrate exakt. Verändert sich diese Rate ebenfalls mit der Zeit, gilt die Definition nur näherungsweise. Um eine präzise Definition der Änderungsrate zu erhalten, muss das Zeitintervall beliebig kurz gewählt werden

[math]\dot M = \lim_{(t_2-t_1) \to \0}(\frac {M_2 - M_1} {t_2 - t_1})[/math]

Mit diesem Grenzübergang geht der Differenzenquotient in den Differentialquotienten über. Die Anwendung des Differentialquotienten auf beliebige Funktionen ist Aufgabe der Differenzialrechnung.

Liegt das zeitliche Verhalten einer Grösse als Diagramm vor, entspricht die Änderungsrate dieser Grösse der Steigung der Kurve zum fraglichen Zeitpunkt. Der Differenzenquotient ist dann als Steigungsmass der durch M2(t2) und M1(t1) gehenden Sekante zu erkennen. Mit dem Grenzübergang vom Differenzen- zum Differentialquotienten geht die Sekante in die Tagente über. Weil die Tagente und der Funktionsgraph im Berührpunkt die gleiche Steigung haben, erlaubt die Tangentenkonstruktion das Herausmessen der Änderungsrate aus einer graphischen Darstellung. Man achte darauf, dass bei dieser graphischen Bestimmung der Änderungsrate die Einheit der sich ändernden Grösse und die Einheit der Zeit korrekt mitgeführt werden.

Integration

Bei dynamischen Systemen liefert die Bilanzgleichung die Änderungsrate einer bestimmten Grösse. Um den aktuellen Wert dieser Grösse zu bestimmen, muss die Änderungsrate über alle Zeitabschnitte aufsummiert werden. Die zugehörige Rechnung folgt aus der Definition des Differenzenquotienten

[math] M_n = M_0 + \sum_{i=1}^n \dot M(t_{i-1,i}) (t_i - t_{i-1})[/math]

Die Formel besagt, dass man zum Anfangswert M0 solange um die Änderungsrate mal den zugehörigen Zeitabschnitt erhöhen soll, bis die Endzeit erreicht ist. Die Änderungsrate muss zu einem Zeitpunkt innerhalb des fraglichen Intervalls genommen werden. Diese "Wahlfreiheit" erzeugt bei jedem Summanden einen kleinen Fehler, den man durch Verkürzen der Intervalle kleiner machen kann.

Mach man die Zeitabschnitte beliebig kurz, ist über beliebig viele Abschnitte zu summieren. Dieses mathematische Verfahren nennt man Integration über die Zeit

[math]M(t_e) = M(t_a) + \int_{t_a}^{t_e} \dot M dt[/math]

Die Anwendung der Integration auf beliebige Funktionen ist Aufgabe der Integralrechnung.

Liegt das zeitliche Verhalten der Änderungsrate als Diagramm vor, entspricht die totale Änderung der zugehörigen Grösse im fraglichen Zeitabschnitt der Fläche unter der Kurve, wobei Flächenstücke im Negativbereich der Änderungsrate auch negativ zu zählen sind.

Systemdynamische Werkzeuge führen die Integration über die Zeit automatisch aus, sobald man die Bilanz bestehend aus Fluss- und Bestandesgrössen im Systemdiagramm gezeichnet hat. Der Anfangs- oder Startwert muss zusätzlich eingegeben werden, damit der Endwert eindeutig bestimmt ist.

Beispiele

Grösse Gebiet oder Bezeichnung Einheit der Änderungsrate
Masse offene Systeme, Relativitätstheorie kg/s
Volumen Hydrodynamik m3/s
elektrische Ladung Elektrodynamik A = C/s
Impuls Translationsmechanik N = kg m/s2
Drehimpuls Rotationsmechanik Nm = kg m2/s2
Entropie Thermodynamik W/K = kg m2/(s3 K)
Stoffmenge Diffusion, Osmose mol/s
Stromstärke induktives Gesetz [Menge]/s2
Ort Geschwindigkeit m/s
Geschwindigkeit Beschleunigung m/s2
Winkel Winkelgeschwindigkeit 1/s
Winkelgeschwindigkeit Winkelbeschleunigung 1/s2