Rotationsachse

Die Rotations- oder Drehachse ist die Gerade im starren Körper, die im Moment bezüglich eines Beobachters in Ruhe ist. Bei einem Rotator ist die Drehachse fest, bei einem rollenden Körper oder einem Kreisel bewegt sich die Drehachse sowohl gegenüber dem Beobachter als auch bezüglich des Körpers. Bewegt sich ein starrer Körper unter der Wirkung von beliebigen Kräften und Drehmomenten, trägt die momentane Drehachse nichts mehr zum Verständnis der Bewegung bei.

Die Winkelgeschwindigkeit, die bei einem starren Körper ein homogenes Feld bildet, steht immer parallel zur Rotationsachse. Für die Geschwindigkeit eines beliebigen Punktes auf dem starren Körper gilt

[math]\vec v = \vec \omega \times \vec r[/math],

wobei r von der Drehachse zum gewählten Punkt weist.

Rollbewegung

Ein rollender Körper steht mit einer Unterlage über eine Mantellinie im festen Kontakt. Die Wirkung der Unterlage kann in eine Normalkraft, eine Haftreibungskraft und in ein Reibdrehmoment (Rollreibung) zerlegt werden. Sieht man von der Rollreibung ab, tauscht der rollende Körper energiefrei Impuls mit der Unterlage aus. Der durch die berührende Mantellinie fliessende Impulsstrom ist nicht mit Energie beladen, weil das Energiebeladungsmass, die Geschwindigkeit, an dieser Stelle gleich Null ist.

Bezüglich des Laborsystems bildet die berührende Mantellinie die Rotationsachse oder momentane Drehachse. Die Schnelligkeit eines beliebigen Punktes auf dem rollenden Körper hat dann den folgenden Wert

[math]v = \omega r[/math]

wobei r von der momentanen Drehachse radial nach aussen zum gewählten Punkt zeigt.

Beispiele:

  • Eisenbahnrad (Radius der Lauffläche r, Radius des Spurkranzes R):
    • Schnelligkeit der Achse: [math]v_A = \omega \cdot r[/math]
    • Schnelligkeit des höchsten Punktes: [math]v = \omega \cdot (r + R)[/math]
    • Schnelligkeit des obersten Punktes der Lauffläche: [math]v = 2 \omega \cdot r[/math]
    • Schnelligkeit der tiefsten Punktes (rückwärts): [math]v = \omega \cdot (R - r)[/math]
  • Beliebiger Punkt auf dem Autorad (Abstand von der Achse r, Distanz der Achse vom Boden s)
    • Geschwindigkeit in Bezug auf Strasse: [math]\vec v = (\vec \omega \times (\vec s + \vec r))[/math]
    • Geschwindigkeit in Bezug auf Auto: [math]\vec v = (\vec \omega \times \vec r)[/math]

Rotator

Die Rotations- oder Drehachse eines Rotators ist mechanisch fixiert, der Rotator kann sich also nur um diese Achse drehen. Lässt man den Rotator reibungsfrei rotieren, bleibt seine Bewegungsenergie konstant. Je nach Situation tauscht der Rotor Impuls und Drehimpuls über die starre Achse aus.

Beispiele:

  • Rotor eines Hubschraubers
  • beweglicher Teil eines Elektromotors
  • Wippe (Kippschaukel, Gigampfi)
  • Balken einer Balkenwaage

Geht die Achse durch den Massenmittelpunkt des rotierenden Köpers, speichert dieser keinen Impuls. Verläuft die feste Drehachse dagegen nicht durch den Massenmittelpunkt, macht dieser zwangsweise eine gleichmässige Kreisbewegung, was einen harmonischer Strom der beiden beteiligten Impulskomponenten zur Folge hat. Weil auf der Drehachse die Geschwindigkeit immer gleich Null ist, trägt der über diese Achse fliessende Impulsstrom keine Energie. Die Impulsstromstärke bezüglich des Rotators nennt man die von der Achse auf den Rotator einwirkende Kraft. Diese Kraft steht demnach normal zur Drehachse, läuft mit der Drehbewegung um und hat keine Leistung. Rotatoren, bei denen die Achse nicht durch den Massenmittelpunkt gehen, nennt man statisch nicht ausgewuchtet.

Verläuft die Drehachse parallel zu einer Hauptachse des Rotators, bleibt der Drehimpuls konstant. Zeigt die Achse in eine beliebige Drehrichtung, kann der Drehimpulsinhalt des Rotators in eine Komponente parallel und eine Komponente normal zur Drehachse zerlegt werden. Die parallel Komponenten bleibt erhalten und die normale dreht sich mit dem Körper mit. Dies hat analog zur statischen Unwucht einen harmonischen Strom der beiden normal zur Achse stehenden Drehimpulskomponenten zur Folge. Weil die zugehörigen Komponenten der Winkelgeschwindigkeit nie ungleich Null sind, tragen diese Drehimpulsströme keine Energie. Die Drehimpulsstromstärke bezüglich des Rotators nennt man das von der Achse auf den Rotator einwirkende Drehmoment. Dieses Drehmoment steht normal zur Drehachse, läuft mit der Drehbewegung um und hat keine Leistung. Rotatoren, bei denen die Achse nicht parallel zu einer Hauptachse ausgerichtet ist, nennt man dynamisch nicht ausgewuchtet.

Der reibungsfrei gelagerte, antriebslose Rotator kann über die fixierte Achse Impuls und Drehimpuls, aber keine Energie austauschen. Alle Punkte des rotierenden Körpers vollführen dann eine gleichmässige Kreisbewegung

Kreisel

Ein Kreisel ist ein an einem bestimmten Punkt festgehaltener, frei drehbarer starrer Körper. Der Kreisel kann über den Festhalte oder Drehpunkt Impuls aber keinen Drehimpuls austauschen. Wird der Massenmittelpunkt festgehalten und wirken ausser der Gewichtskraft keine weiteren Kräfte oder Drehmomente auf den Körper ein, nennt man den Kreisel frei.

Die momentane Drehachse, die immer durch den Drehpunkt verläuft, überstreicht einen raumfesten Kegel, den festen Polkegel. Vom starren Körpers aus gesehen überstreicht diese Achse den beweglichen Polkegel. Die beiden Polkegel haben immer die im raumfesten Bezugssystem zu definierende, momentane Drehachse gemein. Folglich gilt:

Der bewegliche Polkegel rollt auf dem festen Polkegel ab.

Beispiele:

  • Rollender Zylinder: die Abrollebene bildet den festen und der Zylindermantel den beweglichen Polkegel
  • Rad einer Kollermühle: der feste Polkegel berührt den Boden auf dem Ablaufkreis des Mühlenrades, der bewegliche Polkreis umfasst das Mühlenrad auf dem Umfang. Die Spitzen der Polkegel liegen dort, wo sich die vertikale Mühlenachse und die Symmetrieachse des Mühlrades schneiden.
  • Symmetrischer Kreisel (Nutation): beide Polkegel sind Kreiskegel; die Symmetrieachse des festen Polkegels zeigt in Richtung des Drehimpulsvektors, die Symmetrieachse des beweglichen Polkegels fällt mit der Symmetrieachse des Kreisels zusammen.
    • Symmetrieachse ist Hauptachse mit dem kleinsten Massenträgheitsmoment: der bewegliche Polkreis rollt aussen herum auf dem festen Polkreis ab.
    • Symmetrieachse ist Hauptachse mit dem grössten Massenträgheitsmoment: der bewegliche Polkreis rollt innen auf dem festen Polkreis ab. Die Nutations-Kreisfrequenz ist kleiner als die Winkelgeschwindigkeit des Kreisels.

Irrtümer

Bezieht man das Drehmoment aller Kräfte und den Bahndrehimpuls aller beteiligten, als punktförmig gedachten Massenelemente auf einen fixen Punkt im Bezugssystem, kann daraus die Dynamik des starren Körpers unter Beizug der Definition des Massenmittelpunktes abgeleitet werden. Diese umständliche Herleitung der Drehmechanik aus den Gesetzen der Punktmechanik fordert leider zu viele Opfer unter den Studierenden und späteren Physiklehrern. Entsprechen viele Irrtümer und fehlerhafte Annahmen sind denn auch kaum aus der Welt zu schaffen. Ein Irrtum betrifft den Begriff der momentanen Drehachse, der andere die Wirkung der momentanen Drehachse.

1. Irrtum: Die Drehachse ist fest mit dem Körper verbunden. Diese Behauptung trifft schon beim rollenden Körper nicht mehr zu, falls sich das Bezugssystem nicht gerade mit der Symmetrieachse des Rollkörpers bewegt. Beim Kreisel ist die Drehachse nur körperfest, falls sie Hauptachse ist, falls die Winkelgeschwindigkeit und der Drehimpuls gleich gerichtet sind.

2. Irrtum: Das Drehmoment einer Kraft ist auf die Drehachse zu beziehen. Dieser Zusammenhang gilt nur beim Rotator und beim rollenden Körper, falls man den zweiten auch mit der Rotatormechanik beschreibt. Beim freigeschnittenen starren Körper ist das Drehmoment auf den Massenmittelpunkt zu beziehen.