Wärme als Entropie: Unterschied zwischen den Versionen

 
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==Entropiespeicher==
 
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[[Bild:T-s-DiagrammWasser.png|thumb|T-s-Diagramm von Wasser]]Entropie kann temperaturwirksam ('''manifest''') oder ohne Temperaturveränderung ('''[[Latenz|latent]]''') gespeichert werden. Betrachten wir dazu ein Stück Eis, das in einem mit verschiebbaren Kolben verschlossenen Zylinder eingegossen ist. Der Kolben sorgt für einen konstanten [[Druck]] im Innern des Zylinders. Heizt man das System langsam auf, steigt die Temperatur des Eises kontinuierlich an. Bei 0°C bleibt die Temperatur trotz Wärmezufuhr über längere Zeit konstant. Dabei wandelt sich das Eis in Wasser um. Danach steigt die Temperatur wieder an, bis der Verdampfungspunkt erreicht ist. Bei der Verdampfungstemperatur, deren konkreter Wert stark vom herrschenden Druck abhängt, bleibt die Temperatur erneut stehen und das Wasser wandelt sich in Dampf (gasförmiger Zustand) um (die Wörter Siedepunkt und Siedetemperatur sind hier irreführend, da man ein eigentliches Sieden nur beobachten würde, wenn die Umwandlung in einer offenen Pfanne statt fände). Schlussendlich steigt die Temperatur des Dampfes wieder kontinuierlich an.
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[[Bild:T-s-DiagrammWasser.png|thumb|T-s-Diagramm von Wasser]]Entropie kann temperaturwirksam ('''manifest''') oder ohne Temperaturveränderung ('''[[Latenz|latent]]''') gespeichert werden. Betrachten wir dazu ein Stück Eis, das in einem mit verschiebbaren Kolben verschlossenen Zylinder eingegossen ist. Der Kolben sorgt für einen konstanten [[Druck]] im Innern des Zylinders. Heizt man das System langsam auf, steigt die Temperatur des Eises kontinuierlich an. Bei 0°C bleibt die Temperatur trotz Wärmezufuhr über längere Zeit konstant. Dabei wandelt sich das Eis in Wasser um. Danach steigt die Temperatur wieder an, bis der Verdampfungspunkt erreicht ist. Bei der Verdampfungstemperatur, deren konkreter Wert stark vom herrschenden Druck abhängt, bleibt die Temperatur erneut stehen und das Wasser wandelt sich in Dampf (gasförmiger Zustand) um. Schlussendlich steigt die Temperatur des Dampfes wieder kontinuierlich an.
   
 
Die oben geschilderten fünf Heizphasen können in zwei verschiedene Gruppen eingeteilt werden
 
Die oben geschilderten fünf Heizphasen können in zwei verschiedene Gruppen eingeteilt werden
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*'''latent''': Speicherung von Entropie durch '''Umwandlung''' von fest in flüssig oder von flüssig in gasförmig
 
*'''latent''': Speicherung von Entropie durch '''Umwandlung''' von fest in flüssig oder von flüssig in gasförmig
   
Gasförmige (und im beschränktem Umfang auch flüssige und feste) Stoffe können Entropie manifest und latent speichern
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Gasförmige (und im beschränkten Umfang auch flüssige und feste) Stoffe können Entropie manifest und latent speichern
 
*'''manifest''': das Gas speichert Entropie infolge '''Temperaturanstieg''' bei konstant gehaltenem [[Volumen]]
 
*'''manifest''': das Gas speichert Entropie infolge '''Temperaturanstieg''' bei konstant gehaltenem [[Volumen]]
 
*'''latent''': das Gas speichert Entropie mittels '''Volumenvergrösserung''' bei konstant gehaltener [[Temperatur]]
 
*'''latent''': das Gas speichert Entropie mittels '''Volumenvergrösserung''' bei konstant gehaltener [[Temperatur]]
Auf der doppelten Speicherfähigkeit der Gase in Bezug auf die Entropie basieren die meisten [[Wärmekraftmaschine]]n und [[Wärmepumpe]]n.
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Auf dieser doppelten Speicherfähigkeit basieren die meisten Prozesse, die in [[Wärmekraftmaschine]]n und [[Wärmepumpe]]n ablaufen.
   
Mischungen speichern mehr Entropie als die einzelnen Komponenten bei sonst gleichem Zustand (Temperatur, Druck). Mischentropie tritt auf, wenn
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Ein Gemisch speichert mehr Entropie als die noch ungemischten Reinstoffe bei sonst gleichem Zustand (Temperatur, Druck). Mischentropie tritt auf, wenn
 
*sich zwei Gase (gleicher Druck, gleiche Temperatur) mischen
 
*sich zwei Gase (gleicher Druck, gleiche Temperatur) mischen
 
*Salz in Wasser gelöst wird
 
*Salz in Wasser gelöst wird
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Weil Entropie auch produziert werden kann, wird bei vielen Mischvorgängen die dazu notwendige Entropie direkt erzeugt. Beim Entmischen muss die Mischentropie, unabhängig ob sie vorher erzeugt oder zugeführt worden ist, an die Umwelt abgeführt werden.
 
Weil Entropie auch produziert werden kann, wird bei vielen Mischvorgängen die dazu notwendige Entropie direkt erzeugt. Beim Entmischen muss die Mischentropie, unabhängig ob sie vorher erzeugt oder zugeführt worden ist, an die Umwelt abgeführt werden.
   
[[Impuls]] und [[Drehimpuls]] sind lange nicht als [[Primärgrösse]]n der Physik wahrgenommen worden, weil wir diese Bewegungsmengen praktisch unbeschränkt der Erde entnehmen können. Mit der Entropie verhält es sich ähnlich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entropie in einem sich selbst überlassenen System, den unter den gegebenen Umständen maximalen Wert annehmen kann. Eine Grösse, die überall zu haben ist und sich zudem andauernd vermehrt, hat praktisch keinen Marktwert. Und dennoch wird die Zukunft unserer Zivilisation stark vom richtigen Umgang mit der Entropie abhängen.
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[[Impuls]] und [[Drehimpuls]] sind lange Zeit nicht als [[Primärgrösse]]n der Physik wahrgenommen worden, weil wir diese Mengen praktisch unbeschränkt der Erde entnehmen können. Mit der Entropie verhält es sich ähnlich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entropie in einem sich selbst überlassenen System, den unter den gegebenen Umständen maximalen Wert annehmen kann. Eine Grösse, die überall zu haben ist und sich zudem andauernd vermehrt, hat praktisch keinen Marktwert. Und dennoch wird die Zukunft unserer Zivilisation stark vom richtigen Umgang mit der Entropie abhängen.
   
 
==zugeordneter Energiestrom==
 
==zugeordneter Energiestrom==
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:<math>I_W=T I_S</math>
 
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Oft wird nur die Stärke des thermischen Energiestromes ''I<sub>W</sub>'' (gemessen in Watt) angegegeben. Daraus lässt sich die Entropiestromstärke ''I<sub>S</sub>'' (gemessen in Watt pro Kelvin) problemlos berechnen, indem der Energiestrom durch die absolute [[Temperatur]] der Referenzfläche dividiert wird.
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Oft wird nur die Stärke des thermischen Energiestromes ''I<sub>W</sub>'' (gemessen in Watt) angegeben. Daraus lässt sich die Entropiestromstärke ''I<sub>S</sub>'' (gemessen in Watt pro Kelvin) problemlos berechnen, indem der Energiestrom durch die absolute [[Temperatur]] der Referenzfläche dividiert wird.
   
 
==Prozessleistung==
 
==Prozessleistung==
[[Bild:Prozesskopplung.png|thumb|Schema einer Prozesskopplung]] Die Vorstellung, dass ein [[Wärme]]stoff ([[Entropie]]) beim Hinunterfallen treibende Kraft ([[Energie]]) frei setzt, geht auf ''Sadi Carnot'' zurück. Weil Carnot bei seinen Überlegungen angenommen hat, dass die Entropie unter allen Umständen erhalten bleibt und treibende Kraft bei unsorgfälltigem Umgang verschwendet werden könne, konnten seine Ideen nicht ohne Widerspruch in eine tragfähige Grundlage der Thermodynamik umgearbeitet werden. Hätte er damals schon bemerkt, dass hinter der Verschwendung von treibender Kraft immer eine Wärmeproduktion steckt, wäre die Thermodynamik nicht so verknorzt formuliert worden.
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[[Bild:Prozesskopplung.png|thumb|Schema einer Prozesskopplung]] Die Vorstellung, dass ein [[Wärme]]stoff ([[Entropie]]) beim Hinunterfallen treibende Kraft ([[Energie]]) frei setzt, geht auf ''Sadi Carnot'' zurück. Weil Carnot bei seinen Überlegungen annahm, dass die Entropie unter allen Umständen erhalten bleibt und die treibende Kraft bei unsorgfältigem Umgang verschwendet wird, konnten seine Ideen nicht ohne Widerspruch in eine tragfähige Grundlage der Thermodynamik umgearbeitet werden. Hätte er damals schon bemerkt, dass die Verschwendung von treibender Kraft immer mit einer Wärmeproduktion verbunden ist, wäre die Thermodynamik damals nicht so verknorzt formuliert worden.
   
Geht man von einer [[reversibel|reversiblen]] Prozessführung aus, also von einem Prozess, bei dem keine Entropie erzeugt wird, trifft das von Carnot gezeichnete Bild voll zu. Fliesst Entropie von einem heissen Körper zu einem kalten, wird vom Wärmestrom die folgende Prozessleistung frei gesetzt
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Geht man von einer [[reversibel|reversiblen]] Prozessführung aus, also von einem Prozess, bei dem keine Entropie erzeugt wird, trifft das von Carnot gezeichnete Bild voll zu. Fliesst Entropie von einem heissen Körper zu einem kalten, setzt der Wärmestrom eine Prozessleistung frei
   
 
:<math>P=(T_1-T_2)I_S</math>
 
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Diese Prozessleistung kann nutzen, wer zwischen den beiden Körpern eine [[Wärmekraftmaschine]] laufen lässt. Mit dieser Formel reihen wir den thermischen Prozess in eine ganze Reihe von Elementarprozessen ein
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Diese Prozessleistung kann nutzen, wer zwischen den beiden Körpern eine [[Wärmekraftmaschine]] laufen lässt. Mit dieser Formel ordnen wir den thermischen Prozess in eine ganze Reihe von Elementarprozessen ein
*Graviationsprozess: die [[Masse]] des Wassers fliesst von einem Stausee in einen tiefer gelegenen See
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*Gravitationsprozess: die [[Masse]] des Wassers fliesst von einem Stausee in einen tiefer gelegenen See
 
*: <math>P=g(h_1-h_2)I_m</math>
 
*: <math>P=g(h_1-h_2)I_m</math>
 
*hydraulischer Prozess: das [[Volumen]] des Hydrauliköls strömt von einem Hochdruck- in einen Niederdruckbehälter
 
*hydraulischer Prozess: das [[Volumen]] des Hydrauliköls strömt von einem Hochdruck- in einen Niederdruckbehälter
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*rotatorischer Prozess: [[Drehimpuls]] strömt aus einem schnell drehenden Schwungrad in ein langsameres
 
*rotatorischer Prozess: [[Drehimpuls]] strömt aus einem schnell drehenden Schwungrad in ein langsameres
 
*:<math>P=(\omega_{x_1}-\omega_{x_2})M_x</math>
 
*:<math>P=(\omega_{x_1}-\omega_{x_2})M_x</math>
*thermischer Porzess: [[Entropie]] fliesst aus einem heissen in ein kaltes System
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*thermischer Prozess: [[Entropie]] fliesst aus einem heissen in ein kaltes System
 
*:<math>P=(T_1-T_2)I_S</math>
 
*:<math>P=(T_1-T_2)I_S</math>
In diesem allgemeinen Schema fehlt noch ein letzter Prozess, mit dem wir uns aber in diesem Kurs nicht beschäftigen werden. [[Stoffmenge]], die aus einem Gebiet mit hohem in ein Gebiet mit tiefem chemischen Potenzial strömt, setzt eine Prozessleistung frei, die ebenfalls gleich '''Potenzialdifferenz mal Stromstärke''' ist.
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In dieser Zusammenstellung fehlt noch ein letzter Prozess, mit dem wir uns aber in diesem Kurs nicht beschäftigen werden. [[Stoffmenge]], die aus einem Gebiet mit grossem in ein Gebiet mit kleinem chemischen Potenzial strömt, setzt eine Prozessleistung frei, die ebenfalls gleich dem Produkt aus '''Potenzialdifferenz mal Stromstärke''' ist.
   
 
==Entropieproduktion==
 
==Entropieproduktion==
In jedem Reibungsprozess wird [[Entropie]] produziert. Weil Entropie erzeugt, aber nicht vernichtet werden kann, liegt immer dann eine Reibungsprozess vor, wenn sich der Vorgang in der Zeit nicht umkehren lässt. In der Zeit umkehrbare Prozesse nennt man '''reversibel''', nicht umkehrbare '''irreversibel'''. Die Entropieproduktion sorgt dafür, dass eine Zeitreise in die Vergangenheit nicht möglich ist.
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In jedem Reibungsprozess wird [[Entropie]] produziert. Weil Entropie erzeugt, aber nicht vernichtet werden kann, liegt immer dann ein Reibungsprozess vor, wenn sich der Vorgang in der Zeit nicht umkehren lässt. In der Zeit umkehrbare Prozesse nennt man '''reversibel''', nicht umkehrbare '''irreversibel'''. Die Entropieproduktion sorgt dafür, dass eine Zeitreise in die Vergangenheit nicht möglich ist.
   
 
===reversible Vorgänge===
 
===reversible Vorgänge===
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===irreversible Prozesse===
 
===irreversible Prozesse===
[[Bild:IrreversiblerProzess.png|thumb|Schema eines irreversiblen Prozesses]]Ein irreversibler Prozess liegt vor, falls die im Prozess freigesetzte Leistung von keinem weiteren Prozess aufgenommen wird. Dann wird diese [[Prozessleistung]] auf die zu produzierende Entropie umgeladen. Geht man davon aus, dass die produzierte Entropie das Gebiet ihrer Entstehung (Temperatur ''T'') in Form eines Wärmestromes verlässt, ist der weg fliessende Entropiestrom betragsmässig gleich der Produktionsrate
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[[Bild:IrreversiblerProzess.png|thumb|Schema eines irreversiblen Prozesses]]Ein irreversibler Prozess liegt vor, wenn die im Prozess freigesetzte Leistung von keinem weiteren Prozess aufgenommen wird. Dann muss die [[Prozessleistung]] auf die zu produzierende Entropie umgeladen werden. Geht man davon aus, dass die produzierte Entropie das Gebiet ihrer Entstehung (Temperatur ''T'') in Form eines Wärmestromes verlässt, ist im stationären Zustand der weg fliessende Entropiestrom betragsmässig gleich der Produktionsrate
   
 
:<math>I_S+\Pi_S=0</math>
 
:<math>I_S+\Pi_S=0</math>
   
Weil der dem Entropiestrom zugeordnete Energiestrom gleich der Prozesssleistung ist, gilt für die Produktionsrate der Entropie
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Weil dann der dem weg fliessenden Entropiestrom zugeordnete Energiestrom gleich der Prozessleistung ist, gilt für die Produktionsrate der Entropie
   
 
:<math>\Pi_S=\frac{P_{diss}}{T}</math>
 
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Der Index ''diss'' soll darauf hinweisen, dass die Leistung [[Dissipation|dissipiert]] ist, dass die Energie für weitere Prozesse nicht mehr ohne weiteres zur Verfügung steht.
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Der Index ''diss'' soll darauf hinweisen, dass die Leistung [[Dissipation|dissipiert]] wird, dass die Energie für weitere Prozesse nicht mehr zur Verfügung steht.
   
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Die [[Wärmeleitung]] nimmt eine gewisse Sonderstellung ein, weil im Primärprozess die gleiche Grösse "hinunter fällt" wie im Sekundärprozess produziert wird. Dabei muss zur Berechnung der Entropieproduktionsrate die tiefere Temperatur eingesetzt werden, weil die Wärme auf diesem Niveau weg fliesst.
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Die [[Wärmeleitung]] nimmt eine gewisse Sonderstellung ein, weil im Primärprozess die gleiche Grösse "hinunter fällt" wie im Sekundärprozess produziert wird. Zur Berechnung der Entropieproduktionsrate muss die tiefere Temperatur eingesetzt werden, weil die Wärme auf diesem Niveau weg fliesst.
   
 
==Wärmepumpen==
 
==Wärmepumpen==
[[Bild:Waermepumpe.jpg|thumb|Energieflussbild einer Wärmepumpe]]Eine Wärmepumpe fördert Wärme ([[Entropie]]) von einem System tiefer Temperatur (kaltes Wärmebad) in ein System hoher Temperatur (heisses Wärmebad). Eine Wärmepumpe kann zum Heizen oder Kühlen eines Gebäudes oder eines Raumes eingesetzt werden. Beim Heizen befindet sich der Nutzer auf der heissen Seite (Wärmepumpe gibt Entropie ab), beim Kühlen auf der kalten Seite(Wärmepumpe zieht Entropie ab).
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[[Bild:Waermepumpe.jpg|thumb|Energieflussbild einer Wärmepumpe]]Eine Wärmepumpe fördert Wärme ([[Entropie]]) von einem System tiefer Temperatur (kaltes Wärmebad) in ein System hoher Temperatur (heisses Wärmebad). Eine Wärmepumpe kann zum Heizen oder Kühlen eines Gebäudes oder eines Raumes eingesetzt werden. Beim Heizen befindet sich der Nutzer auf der warmen Seite (Wärmepumpe gibt Entropie ab), beim Kühlen auf der kalten (Wärmepumpe zieht Entropie ab).
   
 
'''Beispiel 1:''' Eine Wärmepumpe soll einen [[zugeordneter Energiestrom|thermischen Energiestrom]] von 4 kW an 47°C warmes Wasser abgeben. Wie viel [[Prozessleistung]] muss sie mindestens aufnehmen, wenn sie Wärme aus dem 7°C warmen Grundwasser wegpumpt?
 
'''Beispiel 1:''' Eine Wärmepumpe soll einen [[zugeordneter Energiestrom|thermischen Energiestrom]] von 4 kW an 47°C warmes Wasser abgeben. Wie viel [[Prozessleistung]] muss sie mindestens aufnehmen, wenn sie Wärme aus dem 7°C warmen Grundwasser wegpumpt?
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:<math>I_S=\frac{I_W}{T_2}=\frac{4000 W}{320 K}</math> = 12.5 W/K
 
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Die minimale [[Prozessleistung]] (reversible Prozessführung) ist die dann gleich
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Die minimale [[Prozessleistung]] (reversible Prozessführung) ist dann gleich
   
:<math>P=(T_1-T_2)I_S=40K*12.5W/K</math> = 500 W
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:<math>P=(T_2-T_1)I_S=40K*12.5W/K</math> = 500 W
   
Würde man die Entropie direkt mit Hilfe eines total irreversiblen Prozesses erzeugen, wäre die Prozessleistung gleich 4 kW.
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Würde man die Entropie direkt mit Hilfe eines total irreversiblen Prozesses erzeugen (z.B. mit einer Elektroheizung), wäre die Prozessleistung gleich 4 kW.
   
 
'''Beispiel 2:''' Eine Kühltruhe (Innentemperatur -23°C) benötigt in 24 Stunden 1.2kWh elektrische Energie. Wie viel Wärmeenergie würde sie in dieser Zeit bei idealer Prozessführung über den Wärmetauscher an der Rückwand (Temperatur 47°C) abgeben?
 
'''Beispiel 2:''' Eine Kühltruhe (Innentemperatur -23°C) benötigt in 24 Stunden 1.2kWh elektrische Energie. Wie viel Wärmeenergie würde sie in dieser Zeit bei idealer Prozessführung über den Wärmetauscher an der Rückwand (Temperatur 47°C) abgeben?
   
'''Lösung:''' In 24 Stunden würde eine ideale Wärmepumpe die folgende Menge an [[Entropie]] fördern
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'''Lösung:''' In 24 Stunden würde eine ideale Wärmepumpe die folgende [[Entropie]]menge fördern
   
:<math>S=\frac{W}{T_1-T_2}=\frac{4.32 MJ}{70 K}</math> = 61.7 kJ/K
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:<math>S=\frac{W}{T_2-T_1}=\frac{4.32 MJ}{70 K}</math> = 61.7 kJ/K
   
 
Diese [[Entropie]] trägt die folgende [[Energie]]
 
Diese [[Entropie]] trägt die folgende [[Energie]]
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:<math>P=(T_1-T_2)I_S</math>
 
:<math>P=(T_1-T_2)I_S</math>
   
Zur Illustration dieser Beziehung untersuchen wir die Wärmeströme bezüglich des Sekundärkreises eines Druckwasserreaktors. Im Verdampfer wird das Wasser unter hohem Druck und entsprechend hoher Temperatur verdampft. Der so erzeugt Dampf strömt danach durch eine Turbine und gibt dort Energie an den durch die Welle fliessenden [[Drehimpuls]] ab. Dabei kühlt sich der Dampf ab, d.h. manifeste Entropie geht in latente über. Neben der Temperatur wird auch der Druck kleiner. Im Kondensator gibt der Dampf so lange Entropie an den Kühlkreislauf ab, bis er ganz zu Wasser geworden ist. Danach bringt ein Pumpsystem das Wasser wieder auf den im Verdampfer herrschenden, hohen Druck.
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Zur Illustration dieser Beziehung untersuchen wir die Wärmeströme bezüglich des Sekundärkreises eines Druckwasserreaktors. Im Verdampfer wird das Wasser unter hohem Druck und entsprechend hoher Temperatur verdampft. Der so erzeugt Dampf strömt danach durch eine Turbine und gibt dort Energie an den durch die Welle fliessenden [[Drehimpuls]] ab. Dabei kühlt sich der Dampf ab, d.h. manifeste Entropie geht in latente über. Neben der Temperatur verringert sich dabei auch der Druck. Im Kondensator gibt der Dampf so lange Entropie an den Kühlkreislauf ab, bis er ganz zu Wasser geworden ist. Danach bringt ein Pumpsystem das Wasser wieder auf den im Verdampfer herrschenden, hohen Druck.
   
Zum [[Kernkraftwerk|KKW]] Brokdorf findet man folgende Daten
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Zum [[Kernkraftwerk|KKW]] Brokdorf findet man folgende Daten:
Daten des Kernkraftwerks Brokdorf:
 
   
 
'''Primärkreis'''
 
'''Primärkreis'''
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[[Bild:KKW mit DWR.png|thumb|[[Kernkraftwerk]] mit Druckwasserreaktor]]'''Sekundärkreis'''
 
[[Bild:KKW mit DWR.png|thumb|[[Kernkraftwerk]] mit Druckwasserreaktor]]'''Sekundärkreis'''
 
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|width="250"|Temperperatur der Vorwärmanlage
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|width="250"|Temperatur der Vorwärmanlage
 
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Geht man davon aus, dass die gesamte Reaktorleistung dem verdampfenden Wasser zugeführt wird, nimmt das verdampfende Wasser bei 285°C folgenden Entropiestrom auf
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Geht man davon aus, dass die gesamte Reaktorleistung dem verdampfenden Wasser zugeführt wird, nimmt dieses bei 285°C den folgenden Entropiestrom auf
   
 
:<math>I_{S1}=\frac{I_{W1}}{T_1}=\frac{3.765 GW}{558 K}</math> = 6.75 MW/K
 
:<math>I_{S1}=\frac{I_{W1}}{T_1}=\frac{3.765 GW}{558 K}</math> = 6.75 MW/K
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Die Entropieproduktionsrate im Sekundärkreislauf beträgt demnach 1 MW/K oder knapp 15% des zufliessenden Entropiestromes. Will man mehr mechanische Leistung gewinnen, muss die Entropie auf höherem Temperaturniveau zugeführt werden.
 
Die Entropieproduktionsrate im Sekundärkreislauf beträgt demnach 1 MW/K oder knapp 15% des zufliessenden Entropiestromes. Will man mehr mechanische Leistung gewinnen, muss die Entropie auf höherem Temperaturniveau zugeführt werden.
   
[[Dampfmaschine]]n funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip, nur wird dort die Entropie zusammen mit dem Dampf abgeführt. Bei [[Verbrennungsmotor]]en wird die Entropie direkt im Arbeitszylinder erzeugt und dann zusammen mit den Gasen abgekühlt. [[Gasturbine]]n und [[Strahltriebwerk]]e sind Verbrennungsmotoren mit kontinuierlichem Durchsatz.
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[[Dampfmaschine]]n funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip, nur wird dort die Entropie zusammen mit dem Dampf abgeführt. Bei [[Verbrennungsmotor]]en wird die Entropie direkt im Arbeitszylinder erzeugt und dann zusammen mit den kalten Gasen an die Umgebung abgegeben. [[Gasturbine]]n und [[Strahltriebwerk]]e sind Verbrennungsmotoren mit kontinuierlichem Durchsatz.
   
 
==Kontrollfragen==
 
==Kontrollfragen==
  +
#Eine Kochherdplatte gibt bei einer mittleren Oberflächentemperatur von 327°C einen Energiestrom von 1800 W ab. Wie stark ist der zugehörige Entropiestrom?
  +
#Die Heizschlangen der oben erwähnten Kochherdplatte weisen eine Temperatur von 387°C auf. Wie gross ist die Entropieproduktionsrate in diesen Heizschlangen?
  +
#Das Kühlsystem entzieht einer Kühltruhe bei -23°C einen Energiestrom von 500 W. Wie stark ist der zugehörige Entropiestrom?
  +
#Das Kühlsystem gibt die Wärme bei 37°C an einen Wassertank ab. Welche (elektrische) Leistung muss dieses Kühlsystem mindestens aufnehmen?
  +
#Eine Wärmepumpe fördert die Wärme aus der -3°C warmen Umgebung in das 37°C warme Wasser der Bodenheizung. Welche (elektrische) Leistung muss die Wärmepumpe mindestens aufnehmen, damit sie einen thermischen Energiestrom (Heizleistung) von 6 kW abgeben kann?
  +
  +
==Antworten zu den Kontrollfragen==
  +
#Der die [[Energie]] tragende [[Entropiestrom]] ist gleich [[zugeordneter Energiestrom|Energiestrom]] durch absolute Temperatur, also gleich 3 W/K.
  +
#Die Entropieproduktionsrate ist gleich [[Dissipation|dissipierte]] Prozessleistung durch dort herrschende Temperatur, also gleich 2.727 W/K.
  +
#Der Entropiestrom ist gleich Energiestrom durch absolute Temperatur, also gleich 2 W/K.
  +
#Die Pumpleistung ist gleich Entropiestrom mal Temperaturdifferenz, also gleich 120 W.
  +
#Die Wärmepumpe gibt einen Entropiestrom der Stärke 6 KW : 310 K = 19.35 W/K an das warme Wasser ab. Um diesen Entropiestrom um 40°C "hinauf" zu pumpen, benötigt die Wärmepumpe eine minimale Leistung von 774 W.
   
 
== Materialien ==
 
== Materialien ==
 
*[https://home.zhaw.ch/~mau/Lehre/Skript/ThermoT.pdf Skript] Seiten 1 und 2
 
*[https://home.zhaw.ch/~mau/Lehre/Skript/ThermoT.pdf Skript] Seiten 1 und 2
 
*[[Physik - Ein systemdynamischer Zugang für die Sekundarstufe II]] Seiten 116 - 125
 
*[[Physik - Ein systemdynamischer Zugang für die Sekundarstufe II]] Seiten 116 - 125
  +
*[https://cast.switch.ch/vod/clips/1s137ra6iu/link_box Videoaufzeichnung 2009]
  +
*[https://cast.switch.ch/vod/clips/1st976ike8/link_box Videoaufzeichnung 2010]
  +
*[http://www.youtube.com/watch?v=TymjEcFG-Sw Kurzfassung auf Youtube]
  +
  +
'''[[Physik und Systemwissenschaft in Aviatik 2014]]'''
   
'''[[Physik und Systemwissenschaft in Aviatik|Zurück zum Inhalt]]'''
+
'''[[Physik und Systemwissenschaft in Aviatik]]'''
   
 
[[Kategorie:VorAV]]
 
[[Kategorie:VorAV]]

Aktuelle Version vom 28. März 2016, 10:52 Uhr

Wärme kann gespeichert und transportiert, aber auch erzeugt werden. Sucht man in der Physik nach einer Grösse, die auf diese Umschreibung zutrifft, stösst man auf die Entropie. Entropie ist das Fachwort aus der Physik für die Wärmemenge der Umgangssprache. Leider ist der Begriff Wärme Mitte des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik anders definiert worden. Deshalb versteht man in der Physik unter Wärme die Energie, die zusammen mit der Entropie über die Systemgrenze transportiert wird.

Entropie ist eine bilanzierbare Grösse der Physik. Zudem trägt jeder leitungsartige Entropiestrom einen (thermischen) Energiestrom über die Systemgrenze, wobei die absolute Temperatur das Energiebeladungsmass darstellt. Mikroskopisch macht sich die gespeicherte Entropie in einer Vergrösserung der Zustandssumme bemerkbar. Unter der Zustandssumme versteht man die Zahl der mikroskopischen Anordnungen, die im gleichen makroskopischen Zustand (Druck, Temperatur, Volumen, Stoffmenge, chemisches Potenzial) möglich sind.

Lernziele

Sie lernen in dieser Vorlesung

  • dass Entropie ein anderes Wort für Wärme im Sinne der Umgangssprache ist
  • dass Entropie in J/K und Entropieströme in W/K gemessen werden
  • wie die in einem thermischen Prozess freigesetzte oder aufgenommene Leistung berechnet wird
  • wie gross die in einem irreversiblen Prozess erzeugte Entropie ist
  • wie eine Wärmekraftmaschine oder eine Wärmepumpe im Prinzip funktioniert

Entropiespeicher

T-s-Diagramm von Wasser

Entropie kann temperaturwirksam (manifest) oder ohne Temperaturveränderung (latent) gespeichert werden. Betrachten wir dazu ein Stück Eis, das in einem mit verschiebbaren Kolben verschlossenen Zylinder eingegossen ist. Der Kolben sorgt für einen konstanten Druck im Innern des Zylinders. Heizt man das System langsam auf, steigt die Temperatur des Eises kontinuierlich an. Bei 0°C bleibt die Temperatur trotz Wärmezufuhr über längere Zeit konstant. Dabei wandelt sich das Eis in Wasser um. Danach steigt die Temperatur wieder an, bis der Verdampfungspunkt erreicht ist. Bei der Verdampfungstemperatur, deren konkreter Wert stark vom herrschenden Druck abhängt, bleibt die Temperatur erneut stehen und das Wasser wandelt sich in Dampf (gasförmiger Zustand) um. Schlussendlich steigt die Temperatur des Dampfes wieder kontinuierlich an.

Die oben geschilderten fünf Heizphasen können in zwei verschiedene Gruppen eingeteilt werden

  • manifest: Speicherung von Entropie durch Temperaturanstieg von festen, flüssigen und gasförmigen Körpern
  • latent: Speicherung von Entropie durch Umwandlung von fest in flüssig oder von flüssig in gasförmig

Gasförmige (und im beschränkten Umfang auch flüssige und feste) Stoffe können Entropie manifest und latent speichern

  • manifest: das Gas speichert Entropie infolge Temperaturanstieg bei konstant gehaltenem Volumen
  • latent: das Gas speichert Entropie mittels Volumenvergrösserung bei konstant gehaltener Temperatur

Auf dieser doppelten Speicherfähigkeit basieren die meisten Prozesse, die in Wärmekraftmaschinen und Wärmepumpen ablaufen.

Ein Gemisch speichert mehr Entropie als die noch ungemischten Reinstoffe bei sonst gleichem Zustand (Temperatur, Druck). Mischentropie tritt auf, wenn

  • sich zwei Gase (gleicher Druck, gleiche Temperatur) mischen
  • Salz in Wasser gelöst wird
  • Wasser in Luft verdunstet

Weil Entropie auch produziert werden kann, wird bei vielen Mischvorgängen die dazu notwendige Entropie direkt erzeugt. Beim Entmischen muss die Mischentropie, unabhängig ob sie vorher erzeugt oder zugeführt worden ist, an die Umwelt abgeführt werden.

Impuls und Drehimpuls sind lange Zeit nicht als Primärgrössen der Physik wahrgenommen worden, weil wir diese Mengen praktisch unbeschränkt der Erde entnehmen können. Mit der Entropie verhält es sich ähnlich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entropie in einem sich selbst überlassenen System, den unter den gegebenen Umständen maximalen Wert annehmen kann. Eine Grösse, die überall zu haben ist und sich zudem andauernd vermehrt, hat praktisch keinen Marktwert. Und dennoch wird die Zukunft unserer Zivilisation stark vom richtigen Umgang mit der Entropie abhängen.

zugeordneter Energiestrom

Energiezuordnung

Die Energie tritt in der Thermodynamik wie in allen andern Zweigen der Physik als reine Buchhaltungsgrösse auf. Dass in der Wärmelehre einzelne Sachverhalte mit der Energie statt mit der Entropie erklärt werden, hängt mit der Verlässlichkeit der thermischen Energie bei total irreversibeln Vorgängen zusammen. Mit solchen Prozessen werden wir uns aber erst in einer späteren Vorlesung auseinander setzten. Zuerst wollen wir uns mit der Bedeutung der Entropie als Energieträger beschäftigen. In dieser Hinsicht lässt sich die Entropie ohne Einschränkung in das allgemeine Schema der Physik der dynamischen Systeme einordnen.

Gebiet Menge Einheit Potenzial Einheit
Gravitation Masse kg Gravitationspotenzial J/kg
Hydrodynamik Volumen m3 Druck Pa
Elektrodynamik elektrische Ladung C, As elektrisches Potenzial J/C, V
Translationsmechanik Impuls Ns, kgm/s Geschwindigkeit m/s
Rotationsmechanik Drehimpuls Nms, kgm2/s Winkelgeschwindigkeit 1/s
Thermodynamik Entropie J/K absolute Temperatur K

Dass in der historischen Entwicklung der Thermodynamik etwas schief gelaufen ist, erkennt man schon bei den Einheiten. Im Gegensatz zur Elektrodynamik, wo die Ladung in Coulomb und das Potenzial in Joule pro Coulomb gemessen wird, hat man in der Thermodynamik das Potenzial, die Temperatur, als Basiseinheit ausgewählt. Die eigentliche Primärgrösse, die Entropie, bekommt keine eigene Einheit und wird immer nur in Joule pro Kelvin angegeben.

Als Formelzeichen für die Entropie wird der Buchstabe S verwendet. Fliesst nun Wärme leitungsartig durch eine Referenzfläche der Temperatur T, kann dem Entropiestrom IS ein Energiestrom IW zugeordnet werden

[math]I_W=T I_S[/math]

Oft wird nur die Stärke des thermischen Energiestromes IW (gemessen in Watt) angegeben. Daraus lässt sich die Entropiestromstärke IS (gemessen in Watt pro Kelvin) problemlos berechnen, indem der Energiestrom durch die absolute Temperatur der Referenzfläche dividiert wird.

Prozessleistung

Schema einer Prozesskopplung

Die Vorstellung, dass ein Wärmestoff (Entropie) beim Hinunterfallen treibende Kraft (Energie) frei setzt, geht auf Sadi Carnot zurück. Weil Carnot bei seinen Überlegungen annahm, dass die Entropie unter allen Umständen erhalten bleibt und die treibende Kraft bei unsorgfältigem Umgang verschwendet wird, konnten seine Ideen nicht ohne Widerspruch in eine tragfähige Grundlage der Thermodynamik umgearbeitet werden. Hätte er damals schon bemerkt, dass die Verschwendung von treibender Kraft immer mit einer Wärmeproduktion verbunden ist, wäre die Thermodynamik damals nicht so verknorzt formuliert worden.

Geht man von einer reversiblen Prozessführung aus, also von einem Prozess, bei dem keine Entropie erzeugt wird, trifft das von Carnot gezeichnete Bild voll zu. Fliesst Entropie von einem heissen Körper zu einem kalten, setzt der Wärmestrom eine Prozessleistung frei

[math]P=(T_1-T_2)I_S[/math]

Diese Prozessleistung kann nutzen, wer zwischen den beiden Körpern eine Wärmekraftmaschine laufen lässt. Mit dieser Formel ordnen wir den thermischen Prozess in eine ganze Reihe von Elementarprozessen ein

  • Gravitationsprozess: die Masse des Wassers fliesst von einem Stausee in einen tiefer gelegenen See
    [math]P=g(h_1-h_2)I_m[/math]
  • hydraulischer Prozess: das Volumen des Hydrauliköls strömt von einem Hochdruck- in einen Niederdruckbehälter
    [math]P=(p_1-p_2)I_V[/math]
  • elektrischer Prozess: elektrische Ladung fliesst aus einem geladenen Kondensator in einen ungeladenen
    [math]P=(U_1-U_2)I[/math]
  • translatorischer Prozess: Impuls fliesst von einem schnellen Fahrzeug in ein langsameres über
    [math]P=(v_{x_1}-v_{x_2})F_x[/math]
  • rotatorischer Prozess: Drehimpuls strömt aus einem schnell drehenden Schwungrad in ein langsameres
    [math]P=(\omega_{x_1}-\omega_{x_2})M_x[/math]
  • thermischer Prozess: Entropie fliesst aus einem heissen in ein kaltes System
    [math]P=(T_1-T_2)I_S[/math]

In dieser Zusammenstellung fehlt noch ein letzter Prozess, mit dem wir uns aber in diesem Kurs nicht beschäftigen werden. Stoffmenge, die aus einem Gebiet mit grossem in ein Gebiet mit kleinem chemischen Potenzial strömt, setzt eine Prozessleistung frei, die ebenfalls gleich dem Produkt aus Potenzialdifferenz mal Stromstärke ist.

Entropieproduktion

In jedem Reibungsprozess wird Entropie produziert. Weil Entropie erzeugt, aber nicht vernichtet werden kann, liegt immer dann ein Reibungsprozess vor, wenn sich der Vorgang in der Zeit nicht umkehren lässt. In der Zeit umkehrbare Prozesse nennt man reversibel, nicht umkehrbare irreversibel. Die Entropieproduktion sorgt dafür, dass eine Zeitreise in die Vergangenheit nicht möglich ist.

reversible Vorgänge

Streng genommen sind exakt reversible Vorgänge nicht möglich, weil schon bei der Beobachtung (Messvorgang) eine minimale Entropiemenge produziert wird. Folgende Modelle verhalten sich im Prinzip reversibel, erzeugen also keine Entropie

  • schiefer Wurf (nur eigentliche Bewegung ohne Abwurf oder Aufschlag)
  • nicht gedämpfter Ein- oder Zweimassenschwinger
  • physisches Pendel
  • Bewegung der Himmelskörper

irreversible Prozesse

Schema eines irreversiblen Prozesses

Ein irreversibler Prozess liegt vor, wenn die im Prozess freigesetzte Leistung von keinem weiteren Prozess aufgenommen wird. Dann muss die Prozessleistung auf die zu produzierende Entropie umgeladen werden. Geht man davon aus, dass die produzierte Entropie das Gebiet ihrer Entstehung (Temperatur T) in Form eines Wärmestromes verlässt, ist im stationären Zustand der weg fliessende Entropiestrom betragsmässig gleich der Produktionsrate

[math]I_S+\Pi_S=0[/math]

Weil dann der dem weg fliessenden Entropiestrom zugeordnete Energiestrom gleich der Prozessleistung ist, gilt für die Produktionsrate der Entropie

[math]\Pi_S=\frac{P_{diss}}{T}[/math]

Der Index diss soll darauf hinweisen, dass die Leistung dissipiert wird, dass die Energie für weitere Prozesse nicht mehr zur Verfügung steht.

Beispiele:

Prozess Leistung
Wasserfall [math]P_{diss}=g(h_1-h_2)I_m[/math]
langes Rohr [math]P_{diss}=(p_1-p_2)I_V[/math]
Widerstand [math]P_{diss}=UI=RI^2=\frac{U^2}{R}[/math]
Knautschzone [math]P_{diss}=(v_1-v_2)F[/math]
Rutschkupplung [math]P_{diss}=(\omega_1-\omega_2)M[/math]
Wärmeleitung [math]P_{diss}=(T_1-T_2)I_S[/math]

Die Wärmeleitung nimmt eine gewisse Sonderstellung ein, weil im Primärprozess die gleiche Grösse "hinunter fällt" wie im Sekundärprozess produziert wird. Zur Berechnung der Entropieproduktionsrate muss die tiefere Temperatur eingesetzt werden, weil die Wärme auf diesem Niveau weg fliesst.

Wärmepumpen

Energieflussbild einer Wärmepumpe

Eine Wärmepumpe fördert Wärme (Entropie) von einem System tiefer Temperatur (kaltes Wärmebad) in ein System hoher Temperatur (heisses Wärmebad). Eine Wärmepumpe kann zum Heizen oder Kühlen eines Gebäudes oder eines Raumes eingesetzt werden. Beim Heizen befindet sich der Nutzer auf der warmen Seite (Wärmepumpe gibt Entropie ab), beim Kühlen auf der kalten (Wärmepumpe zieht Entropie ab).

Beispiel 1: Eine Wärmepumpe soll einen thermischen Energiestrom von 4 kW an 47°C warmes Wasser abgeben. Wie viel Prozessleistung muss sie mindestens aufnehmen, wenn sie Wärme aus dem 7°C warmen Grundwasser wegpumpt?

Lösung: In einem ersten Schritt berechnet man die Stromstärke der abzugebenden Entropie

[math]I_S=\frac{I_W}{T_2}=\frac{4000 W}{320 K}[/math] = 12.5 W/K

Die minimale Prozessleistung (reversible Prozessführung) ist dann gleich

[math]P=(T_2-T_1)I_S=40K*12.5W/K[/math] = 500 W

Würde man die Entropie direkt mit Hilfe eines total irreversiblen Prozesses erzeugen (z.B. mit einer Elektroheizung), wäre die Prozessleistung gleich 4 kW.

Beispiel 2: Eine Kühltruhe (Innentemperatur -23°C) benötigt in 24 Stunden 1.2kWh elektrische Energie. Wie viel Wärmeenergie würde sie in dieser Zeit bei idealer Prozessführung über den Wärmetauscher an der Rückwand (Temperatur 47°C) abgeben?

Lösung: In 24 Stunden würde eine ideale Wärmepumpe die folgende Entropiemenge fördern

[math]S=\frac{W}{T_2-T_1}=\frac{4.32 MJ}{70 K}[/math] = 61.7 kJ/K

Diese Entropie trägt die folgende Energie

[math]W_{therm}=ST_2=61.7kJ/K*320K[/math] = 19.7 MJ = 5.5 kWh

Ein Teil dieser Energie und auch der Entropie fliesst in diesen 24 Stunden im Kreis herum.

Wärmekraftmaschinen

thermischer Prozess in einer WKM

Entropie, die aus einem System hoher Temperatur in ein kälteres überfliesst, besitzt ein Arbeitsvermögen, das von Wärmekraftmaschinen genutzt wird. Die dabei freigesetzte Prozessleistung berechnet sich nach der allgemeinen Formel

[math]P=(T_1-T_2)I_S[/math]

Zur Illustration dieser Beziehung untersuchen wir die Wärmeströme bezüglich des Sekundärkreises eines Druckwasserreaktors. Im Verdampfer wird das Wasser unter hohem Druck und entsprechend hoher Temperatur verdampft. Der so erzeugt Dampf strömt danach durch eine Turbine und gibt dort Energie an den durch die Welle fliessenden Drehimpuls ab. Dabei kühlt sich der Dampf ab, d.h. manifeste Entropie geht in latente über. Neben der Temperatur verringert sich dabei auch der Druck. Im Kondensator gibt der Dampf so lange Entropie an den Kühlkreislauf ab, bis er ganz zu Wasser geworden ist. Danach bringt ein Pumpsystem das Wasser wieder auf den im Verdampfer herrschenden, hohen Druck.

Zum KKW Brokdorf findet man folgende Daten:

Primärkreis

Betriebsdruck 157 bar (15,7 MPa)
Kühlmitteltemperatur beim Eintritt in Reaktor 291.3 °C
Kühlmitteltemperatur beim Austritt aus Reaktor 326.1 °C.
Kühlmittelstrom 67680 t/h
Reaktorleistung 3765 MW
Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor

Sekundärkreis

Temperatur der Vorwärmanlage 218°C
Sattdampferzeugung 2,061 t/s (285°/ 66 bar)
Generatorleistung 1395 MW
Generatorspannung 27 kV

Kühlkreis

Kühlmittelstrom 208008 t/h
max. Wassertemperatur 33°C

Geht man davon aus, dass die gesamte Reaktorleistung dem verdampfenden Wasser zugeführt wird, nimmt dieses bei 285°C den folgenden Entropiestrom auf

[math]I_{S1}=\frac{I_{W1}}{T_1}=\frac{3.765 GW}{558 K}[/math] = 6.75 MW/K

Zieht man die Generatorleistung von 1395 MW von der Reaktorleistung ab, erhält man eine Kühlleistung von 2.37 GW. Diese Energie wird bei 33°C von einem Entropiestrom weggetragen, dessen Stärke wie folgt berechnet werden kann

[math]I_{S2}=\frac{I_{W2}}{T_2}=\frac{2.37 GW}{306 K}[/math] = 7.75 MW/K

Die Entropieproduktionsrate im Sekundärkreislauf beträgt demnach 1 MW/K oder knapp 15% des zufliessenden Entropiestromes. Will man mehr mechanische Leistung gewinnen, muss die Entropie auf höherem Temperaturniveau zugeführt werden.

Dampfmaschinen funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip, nur wird dort die Entropie zusammen mit dem Dampf abgeführt. Bei Verbrennungsmotoren wird die Entropie direkt im Arbeitszylinder erzeugt und dann zusammen mit den kalten Gasen an die Umgebung abgegeben. Gasturbinen und Strahltriebwerke sind Verbrennungsmotoren mit kontinuierlichem Durchsatz.

Kontrollfragen

  1. Eine Kochherdplatte gibt bei einer mittleren Oberflächentemperatur von 327°C einen Energiestrom von 1800 W ab. Wie stark ist der zugehörige Entropiestrom?
  2. Die Heizschlangen der oben erwähnten Kochherdplatte weisen eine Temperatur von 387°C auf. Wie gross ist die Entropieproduktionsrate in diesen Heizschlangen?
  3. Das Kühlsystem entzieht einer Kühltruhe bei -23°C einen Energiestrom von 500 W. Wie stark ist der zugehörige Entropiestrom?
  4. Das Kühlsystem gibt die Wärme bei 37°C an einen Wassertank ab. Welche (elektrische) Leistung muss dieses Kühlsystem mindestens aufnehmen?
  5. Eine Wärmepumpe fördert die Wärme aus der -3°C warmen Umgebung in das 37°C warme Wasser der Bodenheizung. Welche (elektrische) Leistung muss die Wärmepumpe mindestens aufnehmen, damit sie einen thermischen Energiestrom (Heizleistung) von 6 kW abgeben kann?

Antworten zu den Kontrollfragen

  1. Der die Energie tragende Entropiestrom ist gleich Energiestrom durch absolute Temperatur, also gleich 3 W/K.
  2. Die Entropieproduktionsrate ist gleich dissipierte Prozessleistung durch dort herrschende Temperatur, also gleich 2.727 W/K.
  3. Der Entropiestrom ist gleich Energiestrom durch absolute Temperatur, also gleich 2 W/K.
  4. Die Pumpleistung ist gleich Entropiestrom mal Temperaturdifferenz, also gleich 120 W.
  5. Die Wärmepumpe gibt einen Entropiestrom der Stärke 6 KW : 310 K = 19.35 W/K an das warme Wasser ab. Um diesen Entropiestrom um 40°C "hinauf" zu pumpen, benötigt die Wärmepumpe eine minimale Leistung von 774 W.

Materialien

Physik und Systemwissenschaft in Aviatik 2014

Physik und Systemwissenschaft in Aviatik