Schiefer Wurf: Unterschied zwischen den Versionen

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==Diskussion==
==Diskussion==
Der schiefe Wurf im homogenen [[Gravitationsfeld]] ist das einfachst mögliche, nicht triviale Beispiel zur Bewegung eines Körpers in der Ebene. Die mathematische Beschreibung ist dennoch so anspruchsvoll, dass der grössere Teil der Schülerinnen und Schüler im einführenden Unterricht überfordert sind. Das dem schiefen Wurf zugrunde liegende [[Paradigmawechsel|Paradigma]] der Punktmechanik, das mit vektorwertigen Differenzialgleichungen zweiter Ordnung arbeitet, ist für Anfänger viel zu anspruchsvoll. Vor lauter Mathemaitik ist von der Physik kaum noch was zu sehen. Zudem hat Einstein die ganze Newtonsche Mechanik auf eine kinematische Theorie, also auf reine Geometrie zurückgeführt. Wer beim schiefen Wurf von Dynamik redet und dieses Beispiel auf die gleiche Stufe wie etwa den [[Rangierstoss]] zweier Güterwagen stellt, blendet die letzten hundert Jahre Wissenschaftsgeschichte aus. So gesehen ist der schiefe Wurf ein Fossil der Schulphysik, das wohl Albträume verursachen kann, aber keine Einsicht in die wirklich interessanten Zusammenhänge der Mechanik zu vermitteln vermag. Da steckt zum Beispiel in der Modellierung eines [[Fussball|Fussballs]] schon viel mehr Physik drin.
Der schiefe Wurf im homogenen [[Gravitationsfeld]] ist das einfachst mögliche, nicht triviale Beispiel zur Bewegung eines Körpers in der Ebene. Die mathematische Beschreibung ist dennoch so anspruchsvoll, dass der grössere Teil der Schülerinnen und Schüler im einführenden Unterricht überfordert sind. Das dem schiefen Wurf zugrunde liegende [[Paradigmawechsel|Paradigma]] der Punktmechanik, welches mit vektorwertigen Differenzialgleichungen zweiter Ordnung arbeitet, ist für Anfänger viel zu anspruchsvoll. Häufig ist vor lauter Mathematik kaum noch etwas von der Physik sehen. Zudem hat Einstein die ganze Newtonsche Mechanik auf eine kinematische Theorie, also auf reine Geometrie zurückgeführt. Wer beim schiefen Wurf von Dynamik redet und dieses Beispiel auf die gleiche Stufe wie etwa den [[Rangierstoss]] zweier Güterwagen stellt, blendet die letzten hundert Jahre Wissenschaftsgeschichte aus. So gesehen ist der schiefe Wurf ein Fossil der Schulphysik, das wohl Albträume verursachen kann, aber keine Einsicht in die wirklich interessanten Zusammenhänge der Mechanik zu vermitteln vermag. Da steckt zum Beispiel in der Modellierung eines [[Fussball|Fussballs]] schon viel mehr Physik drin.


==Relativität==
==Relativität==

Version vom 29. August 2006, 15:19 Uhr

Problemstellung

Der schiefe Wurf ist das punkmechanische Modell eines im Vakuum geworfenen Körpers. Dabei betrachtet man nur die Freiflugphase, also die Bewegung kurz nach dem Abwurf bis kurz vor dem Aufprall.

Tragischerweise wird an vielen Schulen anhand dieses Beispiels das Grundgesetz der Mechanik (Kraft gleich Masse mal Beschleunigung) eingeübt und der Energieerhaltungssatz (Summe aus potentieller und kinetischer Energie gleich konstant) erklärt. Dass die Mehrheit der Schüler danach von Translationsmechanik wenig und von der Rolle der Energie nichts verstehen, erstaunt nicht, denn der schiefe Wurf ist eine Bewegung, bei der nun gar nichts passiert. Die interessanten Prozesse, der Abwurf und der Aufschlag, werden im Unterricht selten thematisiert.

Theorie

Die Impulsbilanz, die bezüglich eines festen Körper besagt, dass die Summe über alle Kräfte gleich der Änderungsrate des Impulsinhaltes ist, kann mit Hilfe des kapazitiven Gesetzes in das Grundgesetz der Mechanik umgeformt werden

[math]\vec F_{res} = \dot {\vec p} = m \dot {\vec v} = m \vec a[/math]

Bei einem im Vakuum geworfenen Körpers reduziert sich das Grundgesetz auf eine rein kinematische Aussage

[math]\vec g = \vec a[/math],

weil die einzige Einwirkung, die Gravitations-, Schwer- oder Gewichtskraft, ebenfalls proportional zur Masse ist.

Nimmt man nun an, dass die Gravitationsfeldstärke im ganzen Gebiet des geworfenen Körpers konstant ist, ändert sich auch seine Beschleunigung nicht. Bezüglich einer horizontalen x- und einer vertikalen y-Achse kann die Beschleunigung des reibungsfrei geworfenen Körpers als zeitunabhängiger Vektor geschrieben werden

[math]\begin{pmatrix} a_x \\ a_y \end{pmatrix} = \begin{pmatrix} 0 \\ -g_0 \end{pmatrix}[/math]

Mit einer ersten Integration über die Zeit erhält man das Geschwindigkeitsverhalten

[math]\begin{pmatrix} v_x \\ v_y \end{pmatrix} = \begin{pmatrix} v_{0x} \\ v_{0x} -g_0 t \end{pmatrix}[/math] ,

wobei der Vektor der Anfangsgeschwindigkeit durch die Dynamik des Abwurfes, durch die Menge des zugeführten Impulses bestimmt wird.

Eine zweite Integration liefert die Orts-Zeit-Funktion

[math]\begin{pmatrix} x \\ y \end{pmatrix} = \begin{pmatrix} x_0 + v_{0x} t \\ y_0 + v_{0y} t - \frac {1}{2} g_0 t^2 \end{pmatrix}[/math] ,

wobei der Ort des Abwurfes frei gewählt werden kann.

In der Regel wird der Abwurf in den Koordinatenursprung gelegt und die Abwurfgeschwindigkeit mit dem Betrag v0 und dem Winkel zur Horizontalen α parametrisiert. In diesem Fall nimmt das Orts-Zeit-Verhalten die folgende Gestalt an

[math]\begin{pmatrix} x \\ y \end{pmatrix} = \begin{pmatrix} v_0 \cos(\alpha) t \\ v_0 \sin(\alpha) t - \frac {1}{2} g_0 t^2 \end{pmatrix}[/math]

Die Wurfweite (Aufschlag auf gleicher Höhe wie Abwurf) ist durch die Bedingung festgelegt, dass y wieder Null sein muss. Bestimmt man aus dieser Bedingung die Wurfzeit und setzt diese in die Gleichung für die x-Koordinate ein, erhält man für die Wurfweite

[math]x_e = v_0 \cos(\alpha) \frac {2 v_0 \sin(\alpha)}{g_0} = \frac {v_0^2}{g_0} \sin(2\alpha)[/math]

Die grösste Wurfweite wird unter diesen Umständen bei einem Abschusswinkel von 45° erreicht. Den höchsten Punkt durchfällt der Körper in der Hälfte der Wurfzeit, weil dieser Punkt in der Mitte der Bahn liegt.

Eliminiert man den Parameter t, die Zeit, mit Hilfe der x-Gleichung aus der y-Gleichung, gewinnt man die Bahnkurve des geworfenen Körpers (Wurfparabel)


[math]y(x) = v_0 \sin(\alpha) \frac {x}{v_0 \cos(\alpha)} -\frac {1}{2} g_0 \frac {x^2}{v_0^2\cos^2(\alpha)} = \tan(\alpha) x - \frac {g_0}{2 v_0^2\cos^2(\alpha)} x^2[/math]

Diskussion

Der schiefe Wurf im homogenen Gravitationsfeld ist das einfachst mögliche, nicht triviale Beispiel zur Bewegung eines Körpers in der Ebene. Die mathematische Beschreibung ist dennoch so anspruchsvoll, dass der grössere Teil der Schülerinnen und Schüler im einführenden Unterricht überfordert sind. Das dem schiefen Wurf zugrunde liegende Paradigma der Punktmechanik, welches mit vektorwertigen Differenzialgleichungen zweiter Ordnung arbeitet, ist für Anfänger viel zu anspruchsvoll. Häufig ist vor lauter Mathematik kaum noch etwas von der Physik sehen. Zudem hat Einstein die ganze Newtonsche Mechanik auf eine kinematische Theorie, also auf reine Geometrie zurückgeführt. Wer beim schiefen Wurf von Dynamik redet und dieses Beispiel auf die gleiche Stufe wie etwa den Rangierstoss zweier Güterwagen stellt, blendet die letzten hundert Jahre Wissenschaftsgeschichte aus. So gesehen ist der schiefe Wurf ein Fossil der Schulphysik, das wohl Albträume verursachen kann, aber keine Einsicht in die wirklich interessanten Zusammenhänge der Mechanik zu vermitteln vermag. Da steckt zum Beispiel in der Modellierung eines Fussballs schon viel mehr Physik drin.

Relativität

Alle frei fallende Körper erfahren am gleichen Ort die gleiche Beschleunigung. Im homogenen Gravitationsfeld ist die Beschleunigung sogar ortsunabhängig. Wirft man nun mehrere Körper miteinander im Vakuum fort, ändert sich die Relativgeschwindigkeit der Körper während des Wurfes nicht. Würde man mitfliegen, könnte man erkennen, dass sich alle andern Körper auf geradlinigen Bahnen bewegen. Zudem würde man sich schwerelos fühlen (auch auf dem aufsteigenden Ast der Wurfparabel). Dies hängt mit einer zentralen Aussage von Einsteins Relativitätstheorie zusammen, die besagt, dass alle frei fallenden Systeme lokal inertial sind. Vom frei fallenden System aus ist nur die Inhomogenität des Gravitationsfeldes, das Gezeitenfeld, das die Relativgeschwindigkeiten zu beeinflussen vermag, direkt messbar.