Carnotor und ideales Gas
Das ideale Gas liefert ein einfachstes Modell, um thermodynamischen Prozesse, wie sie in Wärmepumpen und Wärmekraftmaschinen (Dampfmaschinen, Verbrennungsmotoren und Gasturbinen) ablaufen, zu verstehen. Zur Beschreibung homogener, thermodynamischer Systeme benötigt man mindestens zwei Bilanzgleichungen, die Entropiebilanz und die Volumenbilanz. Folglich müssen aus den Bilanzgleichungen auch zwei Potenziale berechnet werden. Solche Doppelspeicher sind entsprechend komplexer zu beschreiben als etwa ein Hydrospeicher (Druck berechnet sich aus dem Volumen), ein bewegter Körper (Geschwindigkeit folgt aus dem Impulsinhalt) oder ein Kondensator (Spannung hängt direkt mit der Ladung zusammen). Erschwerend kommt hinzu, dass in der Thermodynamik viele Grössen auf die Energie bezogen angegeben werden. Damit sie in einem dynamischen Modell eingesetzt werden können, müssen sie dann zuerst auf die Entropie umgerechnet werden.
Lernziele
Carnotor
Der Carnotor, der schon in der letzten Vorlesung eingeführt worden ist, dient dem Verständnis der thermodynamischen Basisprozesse. Nachfolgend wird der Bau eines systemdynamischen Modells des Carnotors Schritt für Schritt erklärt.
Die Impulsbilanz und die Volumenbilanz bilden das Rückgrat des Carnotors. Aus der Volumenbilanz ist dann unter Beizug des gesamten, zur Verfügung stehenden Volumens Vtot das dem zu modellierenden Stoff zur Verfügung stehende Volumen zu berechnen.
- [math]V=V_{tot}-V_{hyd}[/math]
Nun hängt die Temperatur nicht ausschliesslich vom Entropieinhalt ab. Die Temperatur ist eine Funktion des Entropie und des Volumens. Dies kann mit einem einfachen Experiment gezeigt werden. Presst man Luft schnell zusammen und lässt sie kurz danach wieder expandieren, steigt die Temperatur an und sinkt danach wieder ungefähr auf den ursprünglichen Wert ab. Da in erster Näherung die Entropieproduktion und die Wärmeleitung vernachlässigt werden kann, bleibt die Entropie konstant. Folglich steigt die Temperatur mit abnehmendem Volumen bei konstant gehaltener Entropie.
Wie die Temperatur ist der Druck eine Funktion des Volumens und der Entropie. Heizt man ein Gas bei konstantem Volumen auf, steigt neben der Temperatur auch der Druck an. Das Basismodell des Carnotors besteht folglich aus einer Volumen- und einer Entropiebilanz. Druck und Temperatur lassen sich dann aus dem aktuellen Volumen und dem momentanen Entropieinhalt berechnen. Die zugehörigen Beziehungen nennt man konstitutive Gesetze. Die konstitutiven Gesetze des idealen Gases werden weiter unten eingeführt.
vier Basisprozesse
Von den vier Basisprozessen sind das isochore Heizen oder Kühlen (Volumen konstant) sowie das isentrope Komprimieren oder Expandieren (Entropie konstant) einfach zu modellieren. Auf der einen Seite wird Entropie bzw. Volumen zu- oder abgeführt. Der andere Strom ist dann auf Null zu setzen. Etwas schwieriger gestaltet sich das isobare Heizen oder Kühlen (Druck konstant) sowie das isotherme Komprimieren oder Expandieren (Temperatur konstant). Auf der einen Seite wird wieder ein Entropie- bzw. Volumenstrom vorgegeben (aufgeprägt). In der andern Zuleitung ist der Strom so freizugeben, dass der Druck bzw. die Temperatur des Systems auf einem konstanten Wert bleibt. Modellmässig und auch in Wirklichkeit ist eine totale Freigabe eines Stromes nicht möglich. Um eine möglichst gute Druck- oder Temperaturstabilität zu erreichen, führen wir einen möglichst grossen Volumen- oder Entropieleitwert. Zudem nehmen wir an, dass der Carnotor über den Volumenleitwert GV an ein riesiges hydraulisches System mit dem Druck p0 bzw. über den Entropieleitwert GS an ein Wärmebad der Temperatur T0 angekoppelt sei. Die Gleichungen für die beiden Zuleitungen lauten dann
- [math]I_S=G_S(T_0-T)[/math] und [math]I_V=G_V(p_0-p)[/math]
Für die vier Basisprozesse gelten folgende Zuordnungen (ein aufgeprägter Strom wird hier mit I(t) bezeichnet)
Prozess | Entropiestrom | Volumenstrom | a | b |
---|---|---|---|---|
isochor | IS(t) | 0 | 0 | 0 |
isobar | IS(t) | GVΔ p | 0 | 1 |
isentrop | 0 | IV(t) | 1 | 0 |
isotherm | GSΔT | IV(t) | 1 | 1 |
Der Binärcode ab erlaubt nun, die Stromstärken für die vier Basisprozesse zu steuern
- [math]I_S=(1-a)I_S(t)+abG_S\Delta T[/math]
- [math]I_V=aI_V(t)+(1-a)bG_V\Delta p[/math]
Die beiden aufgeprägten Ströme können innerhalb bestimmter Grenzen beliebig gewählt werden.
Energieebene
Die Energiebilanz lässt sich als zweite Ebene ins Modell einfügen. Dazu bildet man die beiden zugeordneten Energieströme
- [math]I_{W_{therm}}=TI_S[/math] und [math]I_{W_{hyd}}=pI_V[/math]
und lässt beide in den Topf innere Energie hinein fliessen. Der Startwert der inneren Energie kann wie die Anfangsentropie frei gewählt werden. Die Enthalpie H und die freie Energie F lassen sich dann mittels einer einfachen Formel bestimmen
- [math]H=U+pV[/math]
- [math]F=U-TS[/math]
Die Änderung der Enthalpie entspricht bei isobarem Heizen oder Kühlen der zu- oder abgeführten Wärme. Die Enthalpie darf deshalb bei einem System, das mit einem Druckspeicher verbunden ist, als eine Art "Wärmeinhalt" bezeichnet werden. Die Änderung der freien Energie entspricht bei isothermer Expansion oder Kompression der mechanisch ausgetauschten Energie. Ist also ein Stoff an ein Wärmebad gekoppelt, steht die freie Energie für das "Arbeitsvermögen" dieses Stoffes.
ideales Gas
erste Gesetze
1661 stellte Robert Boyle (1627-1691) experimentell fest, dass das Volumen einer bestimmten Gasprobe dem absoluten Druck umgekehrt proportional ist. Das Boylesche Gesetz lautet demnach
- [math]pV=konst.[/math]
falls sich die Temperatur und die Gasmenge nicht ändert. Der Druck eines Gases in Abhängigkeit der Temperatur wurde 1701 von Guillaume Amontons (1663-1705) untersucht. Er fand, dass der Druck eine lineare Funktion der Celsius-Temperatur ist und dass der Druck bei -273 °C verschwinden müsste. Er definierte deshalb eine absolute Temperaturskala, die man heute Kelvin-Skala nennt und gegenüber der Celsius-Skala um 273°C in den Minusbereich verschoben ist. Die Beziehung, wonach der Druck zur absoluten Temperatur proportional ist, wurde von Joseph Gay-Lussac (1778-1850) wieder veröffentlicht und trägt heute seinen Namen
- [math]\frac{p}{T}=konst.[/math]
falls sich das Volumen und die Gasmenge nicht ändert. Amadeo Avogadro (1776-1856) stellte die Hypothese auf, dass gleiche Gasvolumina bei gleicher Temperatur und gleichem Druck dieselbe Anzahl von Teilchen enthalten. Weil die Teilchenzahl makroskopisch gleich der Stoffmenge ist, muss bei gegebener Temperatur und gegebenem Druck das Gasvolumen proportional zur Stoffmenge n sein
- [math]\frac{V}{n}=konst[/math]
thermische Zusstandsgleichung
Das Boylesche Gesetz besagt, dass das Produkt aus Volumen und Druck eine Funktion der Temperatur und der Stoffmenge f(T,n) ist. Gemäss dem Gesetz von Gay-Lussac ist der Quotient aus Druck und Temperatur nur noch eine Funktion des Volumens und der Stoffmenge g(V,n). Die Hypothese von Avogadro besagt, dass das molare Volumen nur noch eine Funktion des Drucks und der Temperatur h(p.T) ist. Kombiniert man diese drei Gesetzmässigkeiten, folgt
- [math]\frac{pV}{nT}=\frac{f(T,n)}{nT}=\frac{g(V,n)V}{n}=\frac{h(p,T)p}{T}[/math]
Weil keine der vier Variablen in allen drei rechten Termen vorkommt, hängt der Ausdruck links von keiner dieser Grössen ab. Folglich muss dieser Ausdruck absolut konstant sein. Wir postulieren deshalb, dass der absolute Druck mal das Volumen dividiert durch die Stoffmenge und die absolute Temperatur gleich einer universellen Konstante R (R = 8.314 J/(mol K) ist
- [math]pV=nRT[/math]
Alle gasförmigen Stoffe nähern sich bei genügend grosser Verdünnung dieser Gesetzmässigkeit an. Deshalb nennt man diesen Zusammenhang auch thermische Zustandsgleichung des idealen Gases.
kalorische Zustandsgleichung
Vernachlässigt man die Wechselwirkung zwischen den Teilchen des Gases, hängt seine innere Energie nicht mehr vom Volumen ab. Die temperaturbedingte Zunahme der Energie ist proportional zur Temperatur. Im Proportionalitätsfaktor, der Wärmekapazität, steckt die Beweglichkeit der Teilchen: die molare Wärmekapazität eines Gases nimmt bei isochorem Heizen pro Freiheitsgrad f um die Hälfte der Gaskonstante R zu
- [math]\Delta W=C\Delta T=n\hat c_V \Delta T=n\frac f2 R \Delta T[/math]
Der Index V weisst darauf hin, dass sich die Kapazität auf die Änderung der inneren Energie beim isochoren Heizen und nicht auf die Änderung der Enthalpie beim isobaren Heizen bezieht. Als Freiheitsgrad gelten die Translationsbewegung (drei Freiheitsgrade) und die Rotationsbewegung der Teilchen (bis zu 3 Freiheitsgrade). Schwingungen zwischen den Atomen eines Moleküls ergeben weitere Freiheitsgrade. Weil die Atome der Edelgase nicht rotieren können, besitzen diese Teilchen nur die minimale Zahl von drei Freiheitsgraden. Die Moleküle der Luft (Stickstoff und Sauerstoff) bewegen sich frei im Raum und können sich - wie alle zweiatomigen Moleküle - um Achsen drehen, die eine Ebene aufspannen. Folglich besitzen die Teilchen der Luft fünf Freiheistgrade. Damit ergibt sich die folgende Temperaturabhängigkeit der inneren Energie
- Edelgase: [math]\Delta W=n\frac{3R}{2} \Delta T[/math]
- Luft: [math]\Delta W=n\frac {5R}{2} \Delta T[/math]
Die Atome der Metalle (feste, kristalline Körper) weisen bei genügend hoher Temperatur sechs Freiheitsgrade auf, weil sie in alle Richtungen elastisch eingebunden sind (jeder Schwingungsmodus ergibt zwei Freiheitsgrade).