Drehimpulsquelle und Bahndrehimpuls
Ein System kann Impuls speichern und auf drei verschiedene Arten austauschen. Dabei nennt man die Stärke des leitungsartigen Impulstransports durch die Systemoberfläche und des quellenartigen Austausches mit dem Gravitationsfeld Kraft. Eine analoge Unterscheidung macht beim Drehimpuls wenig Sinn, weil der Drehimpuls nicht lokalisierbar ist. Eine Dichte oder eine Stromdichte wie bei der elektrischen Ladung, dem Impuls oder der Entropie lässt sich beim Drehimpuls nicht definieren.
Geht man dagegen von ganzen Bauteilen aus, darf ein Drehimpulsinhalt, ein Drehimpulsstrom oder eine Drehimpulsquelle definiert werden. Daneben wird der Drehimpuls auch in der gegenseitigen Bewegung zweier Körper als Bahndrehimpuls gespeichert.
Lernziele
Drehimpulsströme
Drehimpuls, der in einer Antriebswelle in seine eigene Richtung transportiert wird, verdreht die Welle zu einer Linksschraube. Wird ein Stab zu einer Rechtsschraube verdreht, fliesst der Drehimpuls gegen seine Bezugsrichtung. Drehimpulsströme werden wie elektrische Ströme oft im Kreis herum geführt, wie man am Beispiel der Ständerbohrmaschine gut erkennen kann. Sobald der Bohrer am Werkstück ansetzt, bildet sich ein Keisstrom aus. Dabei belädt der Motor den Drehimpulsstrom mit der Energie, die dieser bei der Schneide des Bohrers wieder frei setzt. Verfolgt man den ganzen Kreis, stellt man fest, dass der Drehimpulsstrom beim vorwärts und rückwärts Fliessen das Bauteil auf Torsion beansprucht. Im Bohrtisch und der Halterung des Motors erzeugt der seitwärts fliessende Drehimpuls dagegen Biegung. Legt man eine Schnitt- oder Referenzfläche quer zum Drehimpulsstrom, nennt man die beiden so erzeugten Drehmoment je nach Belastung Torsionsmoment oder Biegemoment.
Drehimpulsströme lassen sich nur indirekt, über die sie begleitenden Impulsströme nachweisen. Wird ein Bauteil auf Torsion belastet, muss der Drehimpulsstrom von einem Impulsstrom umhüllt sein. Wählt man die z-Achse in Richtung des Drehimpulstransportes, wird die in z-Richtung fliessende Drehimpulskomponente von einem z-Impulsstrom vollständig umhüllt. Stellt man sich die Stromlinien des Impulses als Höhenlinie vor, entspricht das Volumen des zugehörigen Berges der Stärke des Drehimpulsstrom. So ist ein seitlich offenes U-Profil viel weniger torsionssteif als ein geschlossenes Rohr. Im Rohr bilden die Stromlinien des querfliessenden Impulses einen voluminösen Tafelberg, während beim offenen U-Rohr nur eine atollförmige Struktur mit kleinem Volumen zu erkennen ist. Eine analoge "Verweichlichung" stellt sich ein, wenn man ein Kartonrohr längs einer Mantellinie aufschlitzt. Der vorher um das ganze Rohr fliessende Impulsstrom wird beim Schlitz zur Umkehr gezwungen. Mit dem Aufschneiden des Rohres wird aus dem Tafelberg wieder ein Atoll. Weil man die Dichte eines querfliessenden Impulsstromes Schubspannung nennt, spricht der Ingenieur hier von der Schubflussumkehr beim Schlitz.
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Vierkantrohr
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U-Profil
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geschlitztes Rohr
Drehimpuls, der quer zu seiner Bezugsrichtung fliesst und das Bauteil auf Biegung belastet, bildet einen Strom aus, der beidseits von Impulsströmen begrenzt wird. Fliesst zum Beispiel z-Drehimpuls in x-Richtung, muss dieser Transport in y-Richtung beidseits durch einen x-Impulsstrom begrenzt sein. So ist H-Balken besonders biegesteif, weil in seinen Gurten gross Impulsströme auf der einen Seite vorwärts (Druck) und auf der andern rückwärts (Zug) fliessen können und dabei einen starken Drehimpulsstrom beranden.
Betrachtet man die Bohrmaschine im Spiegel, fliesst der Drehimpuls in die andere Richtung, da im Spiegel eine Links- in eine Rechtsschraube übergeht. Weil gleichzeitig die Winkelgeschwindigkeit das Vorzeichen vertauscht, ändert sich am Energietransport nichts. Hinter dem Spiegel verwandelt sich ein rechtshändiges Koordinatensystem in ein linkshändiges, rechtsdrehende Propeller werden zu linksdrehenden und die Magnetfelder umhüllen den Strom im entgegen gesetzten Sinn. Dennoch ist die Welt hinter dem Spiegel für uns in Ordnung. Erst die neuere Physik hat gezeigt, dass es Prozesse gibt, die hinter dem Spiegel anders verlaufen als in der realen Welt.