Bilanzieren

Aus SystemPhysik

Die klassische Physik kennt neben der Energie sieben bilanzierfähige Mengen. In dieser Lektion wird anhand der Grössen Masse und Volumen erklärt, was eine Bilanz ist und wie man eine Bilanz formuliert. Bilanzieren, also die Fähigkeit, ein System gegen die Umgebung abzugrenzen, die verschiedenen Einflussgrössen zu identifizieren und die eigentliche Bilanz zu formulieren, gehört zu den grundlegenden Fähigkeiten eines akademisch gebildeten Menschen. Der praktische Nutzen des Bilanzierens reicht weit über die Physik hinaus. Ökonomen, Ingenieure, Naturwissenschafter, Ärzte und Politiker haben fast täglich mit Bilanzen zu tun. Ob Geld-, Material- oder Informationsflüsse quantitativ zu erfassen sind oder ein Medikament verabreicht werden muss, macht keinen grossen Unterschied. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist immer das Bilanzieren. Parallel zu dieser Vorlesung werden Sie mit einer Methode vertraut gemacht, welche das Bilanzieren massiv erleichtert.


Lernziele

In dieser Vorlesung werden sie lernen

  • wie eine Bilanz bezüglich eines Systems im allgemeinen Fall zu formulieren ist
  • wie eine einfache Volumenbilanz oder Massenbilanz aussieht
  • wie aus dem Volumenstrom-Zeit-Diagramm das geflossene Volumen herausgelesen werden kann
  • wie die Stärke eines Volumenstromes mit der mittleren Strömungsgeschwindigkeit zusammenhängt
  • wie die Änderungsrate aus dem Inhalt berechnet wird
  • wie aus dem Füllhöhen-Zeit-Diagramm die Volumenänderungsrate bestimmt wird

Problemstellung

Volumenstrom bei Murgenthal

10. August 2007, 19:18; Letzte Aktualisierung: 20:43; Quelle: sf drs

Berner liessen die Aargauer untergehen/Schleusen im Bielersee zu stark offen

Der Kanton Aargau wurde besonders stark von den Überschwemmungen getroffen. Mitverantwortlich ist der Kanton Bern, der die Schleusen beim Bielersee zu stark geöffnet hatte. Das Bundesamt für Umwelt nimmt die Berner in Schutz.

Der Aargauer Gewässerkenner Pierre-Yves Christen rieb sich am Donnerstag die Augen, als er die unglaublichen Zahlen sah: Die Aare floss mit knapp 1300 Kubikmetern pro Sekunde durch Murgenthal (AG) – viel mehr als erlaubt. Denn laut «Murgenthaler Bedingung» darf die Aare bei Murgenthal nicht mehr als 850 Kubikmeter Wasser pro Sekunde führen. Offensichtlich hatte der Kanton Bern die Schleusen am bedrohlich steigenden Bielersee zu stark geöffnet, wie die «Aargauer Zeitung» mutmasste.

Tatsächlich waren die Schleusen in Biel nach Informationen von SF Tagesschau für lange Zeit zu weit offen. Der Kanton Bern hatte sich auf eine Prognose des Bundes gestützt, die den Höchststand des Wassers erst für Donnerstag Vormittag vorsah. Die Wassermassen waren jedoch schneller und die Schleusen konnten nicht mehr rechtzeitig geschlossen werden.

Das Bundesamt für Umwelt übt Selbstkritik: «Jede Prognose ist mit einer Unsicherheit verbunden; wir haben gedacht, die Spitze käme später» , sagt Vizedirektor Andreas Götz. «Die Berner haben sich klar an die Regeln gehalten und sich auf die Prognose verlassen.»

  • Kann der Bielersee den Aargau vor dem Hochwasser retten?
  • Wie stark ist die "Murgenthaler Bedingung" verletzt worden?
  • Wieso braucht es überhaupt eine Prognose?

Bilanz bezüglich des Bielersees

Bielersee

Der Bielersee weist ein Fläche von 39.3 km2 auf, besitzt drei grössere Zuflüsse (Hagneck-Kanal, Schüss und Twannbach), ist mit dem Neuenburgersee über den Zihlkanal leitend verbunden und entwässert in den Nidau-Büren-Kanal. Gemessen werden die Volumenströme im Hagneck-, im Zihl- und im Nidau-Büren-Kanal sowie der Schüss (Suze) bei Sonceboz.

Damit sind das Bilanzgebiet und die grösseren Verbindungen mit der Umwelt festgelegt. Als bilanzierbare Menge nehmen wir die Masse des Wassers. Der Bielersee kann aber seinen Gehalt an Wasse aber auf verschiedene Arten ändern

  • durch Zu- und Abstrom in Flüssen und Bächen
  • durch Regen, Verdunstung und Austausch mit dem Grundwasser
  • durch Vernichtung (Wasser kann chemisch gebunden werden) und Erzeugung (Abbau von organischem Material)

Den Austausch über Flüsse und Bäche messen wir mit Massenstromstärken Im, den diffusen Austausch über die Oberfläche nennen wir Quelle mit der Quellenstärke Σm und die Produktion von Wasser wird durch die Produktionsrate Πm bestimmt. Ein wegfliessender Massenstrom, eine Senke (z.B. durch Verdunstung) oder eine Vernichtung wird mit einem negativen Vorzeichen beschrieben. All diese Einflussgrössen ändern den Inhalt des Bielersees. Diese Veränderung wird mit der Änderungsrate beschrieben und mit einem Punkt über dem Formelzeichen für die Masse (m) abgekürzt.

Nun sind wir in der Lage, für den Bielersee eine saubere Massenbilanz zu formulieren: Die Summe über alle Stromstärken, die totale Quellenstärke und die totale Produktionsrate ergeben zu jedem Zeitpunkt die Änderungsrate des Systems. Dies lässt sich kompakt mit einer Formel schreiben

[math]\Sum_i I_{m_i} + \Sigma_m + \Pi_m = \dot m[/math]

Merken Sie sich diese Formulierung in Worten und mit Formelzeichen. Sie gehört zu den wichtigsten Formeln der Physik.

Statt der Masse kann auch das Volumen bilanziert werden. Der Zusammenhang zwischen den beiden Bilanzen lässt sich am Beispiel der Stromstärke gut zeigen. Weil die Dichte eines mitströmenden Stück Wassers gleich Masse durch Volumen ist, berechnet sich der Massenstrom als Dicht mal Volumenstrom

[math]I_m = \rho I_V[/math]

Merken wir uns noch zum Schluss die vereinfachte Form der Volumenbilanz (die Summe über alle Volumenstromstärken ist gleich der Änderungsrate des Volumen)

[math]\Sum_i I_{V_i} = \dot V[/math]

Alle Terme in einer Bilanz haben immer die Einheit Menge pro Zeit. In der Massenbilanz kommen demnach nur Grössen vor, die in Kilogramm pro Sekunde gemessen werden. Alle Grössen der Volumenbilanz sollten in m3/s angegeben werden.

Volumenstrom und tranportiertes Volumen

Volumenstrom und Strömungsgeschwindigkeit

Inhalt und Änderungsrate

Modellbildung