Energiestrom und Prozessleistung

Der Begriff Energie ist vom schottischen Physiker William Rankine im Jahr 1852 eingeführt worden. Das Wort Energie leitet sich aus dem Griechischen ab (ἐν = in, innen und ἔργον = Werk, Wirken). Vor der Entdeckung des ersten Hauptsatzes der Wärmelehre, der die Energiebilanz bezüglich eines homogenen Systems beschreibt, kannte man die Energie nur in der Mechanik. Deshalb nannte man sie auch "lebendige Kraft" und sprach von der "Erhaltung der Kraft". 1905 hat Albert Einstein die Energie als eigenständige Grösse wieder abgeschafft, indem er zeigte, dass Energie und Masse äquivalent sind. Energie ist Masse. Die Energie selber macht die Körper schwer und träge. Masse kann demnach auch nicht in Energie umgewandelt werden, weil Masse schon Energie ist.

Trotz der von Einstein gefundenen Gleichwertigkeit von Energie und Masse tun wir auch heute noch so, wie wenn die Energie eine eigenständige Grösse wäre. Dies ist auch ein Stück weit korrekt und sinnvoll. Nur sollte man sich immer bewusst sein, dass dem so verwendeten Energiebegriff enge Grenzen gesetzt sind.

Die Physik der dynamischen Systeme weist der Energie eine klare Rolle zu, die sich über alle Zweige der klassischen Physik erstreckt. Energie kann von einer zweiten Grösse transportiert und zusammen mit dieser gespeichert werden. Die pro Zeit mittransportierte Energie nennt man dann zugeordneter Energiestrom. Energie kann aber auch in einem Prozess von einem Energieträger auf einen andern umgeladen werden. Dabei setzt der erste Trägerstrom eine Prozessleistung frei und der zweite nimmt sie auf.

In dieser Vorlesung lernen Sie den zugeordneten Energiestrom und die Prozessleistung am Beispiel des Massen- und Volumenstromes kennen. Prägen Sie sich diese Grundstrukturen ein, denn diese tauchen immer wieder auf.

Lernziele

In dieser Vorlesung lernen Sie

Energiesysteme in einem Flugzeug

Gewöhnlich haben grosse Passagierflugzeuge drei unabhängig voneinander arbeitende hydraulische Systeme, mit denen Ruder und Klappen in den Flügeln bewegt werden. Diese Systeme arbeiten bisher mit einem Druck von 3000 psi (207 bar). Beim A 380 wurde der Druck in den Hydrauliksystemen auf 5000 psi (345 bar) erhöht. Dadurch können Leitungen mit einem um 30 % geringeren Durchmesser verwendet werden. Hätte man den Druck bei 3000 psi belassen, wären die Leitungen schnell armdick geworden. Jetzt liegt der maximale Durchmesser bei gut 2 Zoll (5,08 cm). Zudem wird es im Airbus A 380 nicht mehr drei, sondern nur noch zwei hydraulische Systeme geben. Das dritte System wird durch zwei elektrische ersetzt. Die Stellmotoren für Klappen und Ruder werden so entweder mit hydraulischer Energie fernversorgt oder eine elektrische Pumpe erzeugt den elektrischen Druck vor Ort am Stellantrieb.

Die Konstrukteure grosser Verkehrsflugzeuge können offensichtlich zwischen zwei Energietransportsystemen wählen, dem elektrischen und dem hydraulischen System. In beiden Fällen hängt der Energietransport von der Stromstärke und einer zweiten Grösse, die man Potenzial nennt, ab. Die Energiestromstärke (gemessen in Watt) hängt folglich von der elektrischen bzw. der Volumenstromstärke und dem elektrischen Potenzial bzw. dem Druck ab. Im internationalen Einheitensystem sind die Grössen so definiert, dass zur Berechnung des Energiestromes nur das Produkt aus Stromstärke (Energieträger)und Potenzial (Beladungsmass) gebildet muss.

Der vom elektrischen Strom I mitgeführte Energiestrom IW ist gleich Potenzial φ mal Stärke des elektrischen Stromes

[math]I_W = \varphi I[/math]

Das Potential wird wie die Spannung in Volt (V) und der elektrische Strom in Ampère (V) gemessen. Folglich ist ein Watt gleich ein Volt mal ein Ampère.

Der vom Volumenstrom mitgeführte Energiestrom IW ist gleich Druck p mal Stärke des Volumenstromes IV

[math]I_W = \varphi I[/math]

Der Druck wird in Pascal (Pa) und der Volumenstrom in Kubikmeter pro Sekunde (m3/s) gemessen. Folglich ist ein Watt gleich ein Pascal mal ein Kubikmeter pro Sekunde. Nun ist Pascal eine sehr kleine und Kubikmeter eine recht grosse Einheit. Nimmt man Bar statt Pascal, muss man den Volumenstrom in Zentiliter pro Sekunde messen: ein Watt gleich ein Bar mal ein Zentiliter pro Sekunde.

Druck als Energiebeladungsmass

Eine unter Druck stehende Flüssigkeit wirkt allseits mit einer Kraft auf die Gefässwand ein. Schneidet man in Gedanken ein Stück aus der Gefässwand aus, ist diese Kraft gleich Fläche mal Druck. Nun ist, wie Sie vielleicht schon gehört haben, eine Kraft eine Impulsstromstärke bezüglich eines Körpers. Der Druck darf deshalb als Impulsstromstärke pro Querschnittfläche bezeichnet werden. Der Druck ist also eine Impulsstromdichte. Leider ist der Sachverhalt etwas komplexer. In ruhenden Flüssigkeiten und Gasen beschreibt der Druck eine dreifache Impulsstromdichte. In diesen Medien fliesst jede der drei Impulskomponenten mit gleicher Stärke in die eigene Bezugsrichtung. In bewegten Fluiden und festen Körpern können dagegen alle drei Komponente des Impulses in alle drei Richtungen transportiert werden. Folglich benötigt man neun Zahlen (drei Mengen und drei Raumrichtungen), um den Impulstransport an einem bestimmten Punkt eines Körpers zu beschreiben. Die Fachleute bezeichnen die (negative) Impulsstromdichte auch als Spannungstensor. Mehr dazu im Teil Translationsmechanik.

In der Hydro- und Thermodynamik erscheint der Druck als Potenzial. Der Druck ist das Energiebeladungsmass der Volumenstromes: je höher der Druck in einer Flüssigkeit oder einem Gas, desto mehr Energie wird vom Fluidum mitgenommen. Diese Bedeutung des Drucks ist viel einfacher zu verstehen als der Zusammenhang mit Kraft und Impuls. Als betrachten wir den Druck vorerst nur als Energiebeladungsmass oder hydrodynamisches Potenzil.

In hydraulischen Systemen wird Energie transportiert. Der vom Öl transportierte Energiestrom ist um so grösser, je höher der Druck ist und je mehr Öl durch die Leitung fliesst. Der Zusammenhang zwischen der Volumenstromstärke IV, dem Druck und dem zugeordnetem Energiestrom ist denkbar einfach: der zugeordnete Energiestrom IW ist gleich Druck mal Volumenstromstärke

[math]I_W = p I_V[/math]

Der Energiestrom wird in Watt (W) gemessen und der Volumenstrom in Kubikmeter pro Sekunde. Folglich muss der Druck in Wattsekunde pro Kubikmeter oder Joule pro Kubikmeter angegeben werden. Nun hat man für diese Einheit einen eigenen Namen eingeführt: Pascal (Pa). Ein Pascal ist ein Joule pro Kubikmeter. Mit Hilfe des internationalen Einheitensystems kann Pascal auf die Basiseinheiten zurückgeführt werden

1 Pa = 1 kg/(s m2)

Verteilt man eine Tafel (100 g) Schokolade gleichmässig über einen Tisch mit einem Quadratmerter Tischfläche, ist der Druck an der Unterseite der Schokoladeschicht um ein Pascal grösser als auf der Oberseite. Pascal ist eine sehr kleine Einheit. Deshalb ist mit Bar auch noch eine zweite Druckeinheit zugelassen. Ein Bar sind hunderttausend Pascal

1 bar = 105 Pa

zugeordneter Energiestrom

transportierte Energie

Prozessleistung

elektrohydraulischer Wandler

Kontrollfragen

Materialien

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