Sanduhr

Aus SystemPhysik

Wirkweise

Sauna-Sanduhr

Eine Sanduhr besteht aus zwei durch ein dünnes Röhrchen verbundene Glaskolben, wobei der eine Kolben fast vollständig mit Sand gefüllt ist. Dreht man den mit Sand gefüllten Kolben nach oben, rieselt der Sand als feiner Strahl durch das dünne Röhrchen. Damit die Uhr einwandfrei funktioniert, müssen alle Sandkörner etwa gleich gross und auf den Durchmesser des Verbindungsröhrchens abgestimmt sein.

Füllt man den einen Glaskolben mit Wasser statt mit Sand, fliesst das Wasser mit einer füllstandsabhängigen Stromstärke durch das Verbindungsröhrchen. Bei einer Wasseruhr muss also entweder die Form der Gefässe oder die Skalierung angepasst werden. Für den gleichmässigen Durchsatz des Sandes sind zwei Phänomene verantwortlich. Erstens nimmt der Druck in der Sandsäule nicht gemäss der hydrostatischen Formel zu. Zweitens ist die Stärke des Sandstromes nicht proportional zur angelegten Druckdifferenz.

Der Druckaufbau in einem mit Granulat (Sand, Getreide, Kunststoff) gefüllten, zylindrischen Gefässes ist eine interessante und sehr komplexe Angelegenheit. Eine ruhende Flüssigkeit leitet den gravitativ zufliessenden z-Impuls direkt nach unten weg. Aber im Gegensatz zu einer senkrecht stehenden Säule, in welcher nur eine linear nach unten ansteigende Stromstärke des z-Impulses nachweisbar ist (einachsiger Spannungszustand), bilden sich in der Flüssigkeit auf jeder Höhe drei gleich starke Impulsströme aus (dreiachsiger, isotroper Spannungszustand). Weil die beiden horizontalen Komponenten des Impulses in der Flüssigkeit je in ihre eigene Richtung transportiert werden, muss die Gefässwand die beiden Impulsströme zurückführen, damit die Stromkreise geschlossen bleiben. Diese in jedem unter Druck stehenden Gefäss auftretenden Kreisströme werden mit den Kesselformeln beschrieben. Im Granulat wird nun auch der z-Impuls teilweise an die Gefässwand abgeleitet. Deshalb steigt dier Druck im Granulat ab einer gewissen Eintauchtiefe kaum mehr an. Weil der seitwärts fliessender z-Impuls sekundäre x- und y-Impulsströme induziert (Gesetz der zugeordneten Schubspannung), kann ein Silo unter der Belastung bersten.

Sanduhr auf einer Waage

Stellt man eine Sanduhr mit dem gefüllten Kolben nach unten auf eine Waage, zeigt diese das Gewicht der Sanduhr an. Doch was zeigt die Waage an, wenn man die Sanduhr umdreht und wieder hinstellt? Wird die Anzeige kleiner, grösser oder bleibt sie gar gleich?

Im Ruhezustand fliesst der gravitativ zugeführte z-Impuls unmittelbar über die Waage wieder an die Erde weg. Man sagt dann, dass die Waage direkt die Gewichtskraft misst, obwohl die eigentliche Gewichtskraft, die gravitative Impulsquelle unter keinen Umständen direkt messbar ist. Die von der Waage gemessene Impulsstromstärke heisst Normalkraft, falls man die Sanduhr als Bilanzsystem auswählt, falls man die Uhr freischneidet.

erste Näherung

Nimmt man die Sanduhr von der Waagschale, dreht sie um und stellt sie wieder hin, rieselt der Sand als stationärer Strom vom oberen Kolben in den unteren. Obwohl der Impulsinhalt der Sanduhr nun nicht mehr gleich Null ist, ändert er sich, solange der Sand nach unten fällt, praktisch nicht. Folglich muss der über die Waage abfliessende Impulsstrom gleich stark sein wie die gesamte Impulsquelle. Die Waage wird also weiterhin das "Gewicht" der ruhenden Sanduhr anzeigen.

zweite Näherung

Der Impulsinhalt der Sanduhr ist aus zwei Gründen nicht exakt konstant

  1. Der Sand im oberen Kolben bewegt sich langsam nach unten und verliert dabei an Masse
  2. Der vom frei fallenden Sand gebildete Strahl wird immer kürzer, verliert somit Masse und Impuls

Um diese Effekte, die bei einer handelsüblichen Sanduhr kaum gemessen werden können, zu verdeutlichen, nehmen wir einen Hohlzylinder (Höhe 2h0, Querschnitt A), der auf halber Höhe mit einem horizontal ausgerichteten Sieb ausgestattet ist. Zu Beginn sei der Raum über dem Sieb vollständig mit Sand gefüllt (Masse m), der darunterliegende Teil des Hohlzylinders leer und das Sieb verschlossen. Die Waage misst eine Impulsstromstärke, die gleich der Gewichtskraft FG des Gesamtsystems ist. Wird nun das Sieb geöffnet, fliesst durch das Sieb ein Massenstrom nach unten weg fliesst

[math]I_m=\frac{m}{t_{Sanduhr}}[/math]

Unmittelbar nach dem Öffnen des Siebs misst die Waage einen schwächeren Impulsstrom, weil sich die Sandsäule über dem Sieb in Bewegung setzt und der durch das Sieb austretende Sand frei fällt. Dieser Effekt ist vorbei, sobald der Sandstrahl den Boden erreicht hat. Danach misst die Waage einen leicht stärkeren Impulsstrom als FG. Im zeitlichen Mittel ist der von der Waage gemessene Impulsstrom weiterhin gleich FG, weil der über das Gravitationsfeld mit konstanter Rate zugeführte Impuls durch die Waage an die Erde abgeleitet werden muss.

Der von der Waage gemessene Überschuss an Impulsstrom hat - wie schon erwähnt - zwei Ursachen: die Sandsäule über dem Sieb und den Sandstrahl zwischen Sieb und ruhendem Sand im unteren Teil des Hohlzylinders.

Die Sandsäule oberhalb des Siebs bewegt sich mit der Geschwindigkeit [math]v_S=\frac{h_0}{t_{Sanduhr}}[/math] nach unten. Weil sie fortwährend kürzer wird, verliert sie mit konstanter Rate Impuls. Diese Änderungsrate ist gleich

[math]\dot p_1=\dot m_1v_S=-I_mv_S=-\frac{m}{t_{Sanduhr}}\frac{h_0}{t_{Sanduhr}}=-\frac{mh_0}{t_{Sanduhr}^2}[/math]

Der Sandstrahl selber wird durch die nach oben wandernde Oberfläche der unteren Sandsäule ebenfalls verkürzt. Obwohl die Geschwindigkeit im Sandstrahl infolge des freien Falls der Sandkörner von oben nach unten zunimmt, ist der pro Abschnitt gespeicherte Impuls überall gleich. Betrachten wir dazu einen Abschnitt der Höhe dh. Der in diesem Abschnitt gespeicherte Impuls ist gleich

[math]dp_2=vdm=vI_mdt=vI_m\frac{dh}{v}=I_mdh[/math]

Der Sandstrahl speichert somit zu Beginn des Prozesses, dann wenn er voll ausgebildet ist, einen Impuls von [math]p_2=I_mh_0[/math] . Dieser Impulsinhalt nimmt linear bis auf Null ab. Weil sich die Oberfläche der unteren Sandsäule gleich schnell nach oben bewegt, wie die obere Säule als Ganzes nach unten gleitet, gilt für die Änderungsrate des Impulses des Sandstrahles

[math]\dot p_2=-I_mv_S=-\frac{mh_0}{t_{Sanduhr}^2}[/math]

Zählt man diese beiden Änderungsraten zusammen, erhält man die Stärke des Impulsstromes, den die Sanduhr in der quasistationären Phase zusätzlich über die Waage an die Erde abgibt. Die Waage misst somit eine Kraft, die um

[math]\Delta F=\frac{2mh_0}{t_{Sanduhr}^2}[/math]

grösser ist als die Gewichtskraft der Sanduhr.

Hubschrauber und Räubergeschichten

Die gleiche Überlegung kann man bezüglich eines Spielzeughubschraubers machen, der in einem Gefäss eingeschlossen auf einer Waage steht. Ob der Hubschrauber am Boden steht, in der Luft schwebt, gleichmässig auf- oder absteigt, spielt keine Rolle. Die Waage wird immer das Gewicht von Gefäss und Hubschrauber anzeigen. Nur in den Phasen, in denen der Hubschrauber seinen Impulsinhalt ändert, also bei einer Beschleunigung, wird die Waage ihre Anzeige gemäss der Impulsbilanz verändern.

Ein Lastwagenchauffeur, der gefragt worden ist, was die blaue Tafel mit der Aufschrift TIR bedeute, hat die folgende Geschichte erzählt: TIR ist die Abkürzung für Tiertransport. Neulich hatte ich gegen fünfundreissig Tonnen Tauben geladen und bin prompt in eine Kontrolle geraten. Die Polizisten hatten verdacht geschöpft und ich musste auf die Waage. Kurz vor der Wägung habe ich ein paar Mal kräftig auf die Hupe gedrückt. Aufgescheucht durch den Lärm sind tausende von Tauben hochgeflogen und haben mit ihren Köpfen den ganzen Lastwagen beinahe hoch gehoben. Die Polizisten konnten es kaum glauben, als die Waage nur etwa sieben Tonnen angezeigt hat. Doch was wollten sie gegen die Anzeige einer geeichten Waage unternehmen?