Trägheitskraft: Unterschied zwischen den Versionen
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Bauwerke wie Brücken oder Hochhäuser haben die Aufgabe, den vom Gravitationsfeld her zufliessenden [[Impulsstrom]] an die Erde ableiten. Wird dieser Impuls gezwungen, horizontal, also seitwärts zu seiner Bezugsrichtung zu fliessen, induziert er weitere Impulsströme oder erzeugt Quellen und Senken von Drehimpulsströmen. Im Verlaufe des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben die Ingenieure komplexe Verfahren entwickelt, um die zugehörigen Belastungen zu berechnen. Dabei hat sich das [[Freischneiden|Schnittverfahren]] durchgesetzt, obwohl viele Baufachleute eine recht gute Vorstellung von einem wie auch immer gearteten [[Kraftfluss]] besitzen. Beim Freischneiden zerlegt man das Bauwerk in einzelne Teile, fügt an den Schnittstellen die notwendigen Kräfte und Drehmomente ein und setzt jedes Bauteil einzeln ins Gleichgewicht. Um der Impuls- und Drehimpulserhaltung zu genügen, müssen alle Kräfte und Drehmomente das Wechselwirkungsprinzip erfüllen. |
Bauwerke wie Brücken oder Hochhäuser haben die Aufgabe, den vom Gravitationsfeld her zufliessenden [[Impulsstrom]] an die Erde ableiten. Wird dieser Impuls gezwungen, horizontal, also seitwärts zu seiner Bezugsrichtung zu fliessen, induziert er weitere Impulsströme oder erzeugt Quellen und Senken von Drehimpulsströmen. Im Verlaufe des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben die Ingenieure komplexe Verfahren entwickelt, um die zugehörigen Belastungen zu berechnen. Dabei hat sich das [[Freischneiden|Schnittverfahren]] durchgesetzt, obwohl viele Baufachleute eine recht gute Vorstellung von einem wie auch immer gearteten [[Kraftfluss]] besitzen. Beim Freischneiden zerlegt man das Bauwerk in einzelne Teile, fügt an den Schnittstellen die notwendigen Kräfte und Drehmomente ein und setzt jedes Bauteil einzeln ins Gleichgewicht. Um der Impuls- und Drehimpulserhaltung zu genügen, müssen alle Kräfte und Drehmomente das Wechselwirkungsprinzip erfüllen. |
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Die Statik ist relativ früh formuliert worden. Zudem ist sie einfach zu verstehen. Um diese Denkweise auch auf beschleunigte Körper anwenden zu können, führt man eine Trägheitskraft nach d'Alembert ein. Diese Trägheitskraft ist gleich minus der resultierenden Kraft, also minus der Impulsänderungsrate. Alle realen Kräfte (Oberflächenkräfte und Gewichtskraft) ergeben zusammen mit der Trägheitskraft Null, d.h. mit der Trägheitskraft von d'Alembert wird der beschleunigte Körper künstlich ins Gleichgewicht gesetzt |
Die Statik ist relativ früh formuliert worden. Zudem ist sie einfach zu verstehen. Um diese Denkweise auch auf beschleunigte Körper anwenden zu können, führt man eine Trägheitskraft nach d'Alembert ein. Diese Trägheitskraft ist gleich minus der resultierenden Kraft, also minus der Impulsänderungsrate. Alle realen Kräfte (Oberflächenkräfte und Gewichtskraft) ergeben zusammen mit der Trägheitskraft Null, d.h. mit der Trägheitskraft von d'Alembert wird der beschleunigte Körper künstlich ins Gleichgewicht gesetzt |
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:<math>\sum_i\vec F_i+\vec F_G+\vec F_T=0</math> mit <math>\vec F_T=-\dot{\vec p}=-m\vec\dot v</math> |
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⚫ | Der Trick mit der Trägheitskraft nach d'Alembert funktioniert gut, solange ein Körper nicht rotiert und seine Beschleunigung nicht so schnell ändert, dass |
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Lässt man diese Trägheitskraft zudem noch im Massenmittelpunkt des bewegten Körpers angreifen, ist auch noch die Summe über alle Drehmomente gleich Null, womit man die gleichen Bedingungen wir bei einem ruhenden Körper vorfindet. |
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⚫ | Der Trick mit der Trägheitskraft nach d'Alembert funktioniert gut, solange ein Körper nicht rotiert und seine Beschleunigung nicht so schnell ändert, dass er in Schwingung versetzt wird. Böse Zungen behaupten, dass viele Ingenieure das Prinzip von d'Alembert lieben, weil sie die Dynamik nie richtig verstanden haben. Auch die [[Physik der dynamischen Systeme|Systemphysik]] verzichtet auf die doch etwas verschrobene Idee der d'Alembertschen Trägheitskraft. Wer gelernt hat, dass in der Mechanik zwei Bewegungsgrössen, nämlich der Impuls und der Drehimpuls, gespeichert und durch die Bauteile hindurch transportiert werden, versteht das Schnittprinzip auf Anhieb. Zudem kann er mechanische Vorgängen auch noch mit Hilfe des [[Flüssigkeitsbild]]es und der verschiedenen Strombilder veranschaulichen. |
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*[https://cast.switch.ch/vod/clips/1uddh0ttn1/link_box Videovortrag zu Scheinkräfte] |
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Aktuelle Version vom 25. Februar 2010, 20:14 Uhr
Der Begriff Trägheitskraft wird in Naturwissenschaft und Technik auf mindestens zwei Arten verwendet. Weil zudem der Kraftbegriff mehrfach belegt ist, kumulieren sich im Umfeld von Trägheits- oder Scheinkraft alle möglichen Missverständnisse.
Kraftbegriff
In der Umgangssprache versteht man unter Kraft etwa Ursächliches, Treibendes (Motorkraft, Muskelkraft, Manneskraft). Isaac Netwon selber hat zur Klärung des Kraftbegriffs wenig beigetragen. Einmal meint er mit Kraft den Impuls, ein andermal bezeichnet er die Ursache einer Bewegungsänderung als Kraft. Erst Leonhard Euler hat den Kraftbegriff exakt definiert. Seither wird jede Einwirkung auf einen Körper, die dessen Geschwindigkeit verändert, als Kraft bezeichnet. Im Laufe des 20. Jahrhunderts hat die Kraft eine weitere Umdefinition erfahren. In der heutigen Physik werden die vier Wechselwirkungen (elektromagnetische, starke, schwache und gravitative) als Grundkräfte bezeichnet, wobei die starke und schwache Wechselwirkung in keiner Weise auf die von Euler aufgestellte Definition zurück geführt werden können. Sowohl die starke als auch die schwache Wechselwirkung sind nur quantenmechanisch erklärbar. Zudem hat der Begriff Beschleunigung in der Quantenmechanik nichts mehr zu suchen.
Wer heute Kraft sagt, meint nicht immer das Gleiche. In der klassischen Physik und in der Technik versteht man unter einer Kraft eine Einwirkung auf ein System, welche dessen Schwerpunkts-Beschleunigung beeinflusst. In der modernen Physik taucht der Begriff Kraft nur noch im Zusammenhang mit den vier grundlegenden Wechselwirkungen (Bosonenfelder) auf. Die Physik der dynamischen Systeme schlägt nun eine Brücke zwischen diesen beiden Konzepten. Eine Kraft beschreibt die Stärke eines Impulsstromes oder einer Impulsquelle bezüglich eines ausgewählten Körpers
- [math]\sum_i\vec F_i+\vec F_G=\dot{\vec p}[/math]
In der Summe stehen alle Oberflächenkräfte (Impulsstromstärken). Die Gravitatioskraft ist separat aufgeführt, weil hier der Impuls über das Volumen (quellenartig) und nicht über die Oberfläche ausgetauscht wird.
Die Rückführung der Kraft auf den Impuls ergibt eine zeitgemässe Definition. Sowohl in der Newton-Eulerschen als auch der modernen Bedeutung beschreibt die Kraft den Austausch von Impuls. In der klassischen Physik ist dieser Impulsaustausch direkt über die Geometrie als Beschleunigung des Schwerpunktes messbar, wogegen in der modernen Physik die kinematischen Grössen Geschwindigkeit und Beschleunigung jede Bedeutung verloren haben.
Trägheitskraft als Gravitationskraft
Die eine Beduetung des Begriffs Trägheitskraft geht vom Konzept des Inertialsystems aus, das auf der Newtonschen Mechanik basiert. Isaac Newton, der Begründer der Punktmechanik, hat den Weltraum als eine Art Kasten gesehen, in dem sich Körper unter der Wirkung von Kräften bewegen. Weil diese Kräfte nur die Beschleunigung und nicht die Geschwindigkeit eines Körpers bestimmen, spielt es keine Rolle, wie schnell sich das Beobachtungssystem gegen diesen Raum bewegt. Solange dessen Geschwindigkeit konstant bleibt, gelten die gleichen Gesetze wie im Ruhesystem. Speziell das Trägheitsprinzip von Galileo Galilei (1. Newtonsches Axiom) hängt nicht davon ab, ob das Bezugssystem in Ruhe ist oder gleichförmig durch den Weltraum fliegt. Aus diesem Grund nennt man alle gleichförmig bewegten Beobachtungssysteme auch Inertialsysteme.
Wir schreiben nun die Impulsbilanz nochmals hin und ersetzen die Gewichtskraft durch schwere Masse mal Gravitationsfeldstärke und die Änderungsrate des Impulsinhalts durch träge Masse mal Beschleunigung
- [math]\sum_i\vec F_i+m_t\vec g=m_s\dot{\vec v}[/math]
Diese Impulsbilanz bezieht sich auf einen Beobachter, der in einem Inertialsystem ruht. Nun dürfen wir die Beschleunigung aufteilen in eine Beschleunigung gegenüber einem neuen System und die Beschleunigung dieses Systems gegenüber dem Inertialsystem
- [math]\sum_i\vec F_i+m_t\vec g=m_s\dot\vec v_{rel}+m_s \vec a_{System}[/math]
Weil sich schwere und träge Masse nicht unterscheiden, darf die Beschleunigung des neuen Systems beidseits subtrahiert und dann auf der linken Seite der Impulsbilanz als zusätzliche Gravitationsfeldstärke gelesen werden
- [math]\sum_i\vec F_i+m(\vec g+\vec g_t)=m\dot\vec v_{rel}[/math] mit [math]\vec g_t=-\vec a_{System}[/math]
Die Beschleunigung eines nicht rotierenden Systems macht sich in diesem als Trägheitsfeld oder künstliche Graivitation bemerkbar. Das Produkt aus Masse und Trägheitsfeld wird als Trägheitskraft bezeichnet.
Die allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein hat mit der Vorstellung vom Weltraum als ruhenden Kasten aufgeräumt, die Idee des Inertialsystems aber beibehalten. Gemäss Einstein sind alle frei fallenden Systeme (lokal) inertial. Zudem ist in diesen Bezugssystemen kein Gravitationsfeld nachweisbar. Alle Systeme mit homogenen Gravitationsfeld dürfen dann als beschleunigt angesehen werden. Dies gilt in guter Näherung für die Erdoberfläche. Sitzt der Beobachter in einem relativ zur Erdoberfläche beschleunigten System (startendes Flugzeug, bremsender Zug), gelten auch für ihn die Gesetzte der Mechanik. Er muss einzig das Gravitationsfeld anpassen.
Die in einem Flugzeug messbare Gravitationsfeldstärke lässt sich vom Flughafen aus in eine "echte" Gravitationsfeldstärke und eine Trägheitsfeldstärke aufteilen. Diese Unterscheidung macht aber im Flugzeug keinen Sinn, kann doch ein Pilot gar nicht entscheiden welcher Anteil echt und welcher unecht ist. Genau so nutzlos ist der Unterschied zwischen wirklicher Gewichtskraft und Trägheitskraft. In einem nach oben anfahrenden Lift stellt man einfach nur ein grösseres Gewicht fest als in einem ruhenden.
Rotiert das zweite System gegen das erste kann nicht mit einem homogenen Trägheitsfeld operiert werden. Zudem treten noch Effekte auf, die von der Geschwindigkeit abhängig sind. Dreht sich das System mit konstanter Winkelgeschwindigkeit, sind eine Zentrifugalkraft (statische Wirkung) und eine Corioliskraft (dynamische Wirkung) einzuführen. Statt einer Zentrifugalkraft kann auch ein zylindersymmetrisches Zentrifugalfeld eingeführt werden. Wie in einem linear beschleunigten Bezugssytem ist auch in einem rotierenden eine durch Messungen zu belegende Unterscheidung zwischen echter Gravitationskraft und Zentrifugalkraft nicht möglich. So kann ein Beobachter auf dem Äquator nicht entscheiden, welcher Anteil der Gewichtskraft von der Masse der Erde und welcher Anteil von der Rotation verursacht wird. Für uns Erdbewohner überlagern sich "echtes" Gravitationsfeld und Zentrifugalfeld zu einem einzigen, lokal nachweisbaren Gravitationsfeld.
Die weiter oben gelieferte Begründung für die Trägheitskräfte bzw. das Trägheitsfeld ist notwendig, aber nicht hinreichend. Rein kinematisch (geometrisch) können wir die Beschleunigung eines Körpers bezüglich eines Inertialsystems in eine Beschleunigung bezüglich eines zweiten Systems und in eine Relativbeschleungigung zerlegen, uns dann ins neue System begeben und die Beschleunigung des neuen gegen das alte System als zusätzliche Gravitationsfeldstärke (Trägheitsfeld) oder multipliziert mit der Masse als Trägheitskraft definieren. Dies ist vorerst ein rein gedanklicher Vorgang. Doch erst wenn das zweite System über eine grosse Masse verfügt und ohne seine Geschwindigkeit stark zu ändern viel Impuls aufnehmen kann, werden wir es auch als mögliches Bezugssystem akzeptieren. Deshalb benötigen wir einen Lift, einen Zug, ein Flugzeug oder gar ein Raumschiff, um die Wirkung der Trägheitskraft oder des Trägheitsfelds zu erleben.
Trägheitskraft nach d'Alembert
Bauwerke wie Brücken oder Hochhäuser haben die Aufgabe, den vom Gravitationsfeld her zufliessenden Impulsstrom an die Erde ableiten. Wird dieser Impuls gezwungen, horizontal, also seitwärts zu seiner Bezugsrichtung zu fliessen, induziert er weitere Impulsströme oder erzeugt Quellen und Senken von Drehimpulsströmen. Im Verlaufe des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben die Ingenieure komplexe Verfahren entwickelt, um die zugehörigen Belastungen zu berechnen. Dabei hat sich das Schnittverfahren durchgesetzt, obwohl viele Baufachleute eine recht gute Vorstellung von einem wie auch immer gearteten Kraftfluss besitzen. Beim Freischneiden zerlegt man das Bauwerk in einzelne Teile, fügt an den Schnittstellen die notwendigen Kräfte und Drehmomente ein und setzt jedes Bauteil einzeln ins Gleichgewicht. Um der Impuls- und Drehimpulserhaltung zu genügen, müssen alle Kräfte und Drehmomente das Wechselwirkungsprinzip erfüllen.
Die Statik ist relativ früh formuliert worden. Zudem ist sie einfach zu verstehen. Um diese Denkweise auch auf beschleunigte Körper anwenden zu können, führt man eine Trägheitskraft nach d'Alembert ein. Diese Trägheitskraft ist gleich minus der resultierenden Kraft, also minus der Impulsänderungsrate. Alle realen Kräfte (Oberflächenkräfte und Gewichtskraft) ergeben zusammen mit der Trägheitskraft Null, d.h. mit der Trägheitskraft von d'Alembert wird der beschleunigte Körper künstlich ins Gleichgewicht gesetzt
- [math]\sum_i\vec F_i+\vec F_G+\vec F_T=0[/math] mit [math]\vec F_T=-\dot{\vec p}=-m\vec\dot v[/math]
Lässt man diese Trägheitskraft zudem noch im Massenmittelpunkt des bewegten Körpers angreifen, ist auch noch die Summe über alle Drehmomente gleich Null, womit man die gleichen Bedingungen wir bei einem ruhenden Körper vorfindet.
Der Trick mit der Trägheitskraft nach d'Alembert funktioniert gut, solange ein Körper nicht rotiert und seine Beschleunigung nicht so schnell ändert, dass er in Schwingung versetzt wird. Böse Zungen behaupten, dass viele Ingenieure das Prinzip von d'Alembert lieben, weil sie die Dynamik nie richtig verstanden haben. Auch die Systemphysik verzichtet auf die doch etwas verschrobene Idee der d'Alembertschen Trägheitskraft. Wer gelernt hat, dass in der Mechanik zwei Bewegungsgrössen, nämlich der Impuls und der Drehimpuls, gespeichert und durch die Bauteile hindurch transportiert werden, versteht das Schnittprinzip auf Anhieb. Zudem kann er mechanische Vorgängen auch noch mit Hilfe des Flüssigkeitsbildes und der verschiedenen Strombilder veranschaulichen.