Inertialsystem

Ein Inertialsystem (lat. iners = untätig, träg) ist ein Bezugssystem, in dem sich ein kräftefreier Körper gleichförmig geradlinig bewegt oder in Ruhe bleibt. Ein Inertialsystem ist demnach ein Bezugssystem in dem das Newtonsche Trägheitsgesetz uneingeschränkte Gültigkeit besitzt.

Klassische Mechanik

Nach Aristoteles war für jede erzwungene Bewegung eine Kraft notwendig. Weil die Geschwindigkeit so Einfluss auf die Dynamik nimmt, wird in dieser Theorie ein absolutes Ruhesystem ausgezeichnet.Galileo Galilei war der erste, der den Begriff des Inertialsystems erdachte, um die damals gültige Meinung Aristoteles zu widerlegen. Galilei zeigte, dass auf einem ruhig dahin gleitenden Schiff mechanische Prozesse wie das Fallen eines Steins genau gleich ablaufen wie auf der ruhenden Erde. Isaac Newton hat die Argumentation von Galielei übernommen und in seinem ersten Axiom, das auch als Trägheitsprinzip bezeichnet wird, ausformuliert.

Alle Bezugssysteme, die sich gleichförmig, also mit konstanter Geschwindigkeit gegen den absoluten Raum bewegen, sind demnach inertal. Sobald allerdings eines der Bezugssysteme eine Rotation oder eine beschleunigte Translationsbewegung ausführt, treten so genannte Scheinkräfte wie die Zentrifugal- oder die Corioliskraft auf. Um die Transformationsgleichungen zwischen zwei Inertialsystemen aufzustellen, nutzt man die Galilei-Transformation.

Zirkelschluss

»Die Gesetze der klassischen Mechanik gelten unverändert in Inertialsystemen, die sich relativ zueinander mit konstanter Geschwindigkeit bewegen. Es gibt kein bevorzugtes Bezugssystem und keine Möglichkeit, eine Geschwindigkeit absolut zu messen.«

Trotz der heute üblichen, auf Ernst Mach zurückzuführenden Umschreibung der Inertialsystems ist Newton von einem ruhenden, von Gott erschaffenen Weltraum ausgegangen. Lässt man die Idee des absoluten Raumes weg, führt das erste Axiom von Newton, das Trägheitsprinzip, zu einem Zirkelschluss. Das lässt sich anhand der Struktur der Punktmechanik zeigen. Die eigentliche Kernaussage der Newtonschen Punktmechanik bildet die Impulsbilanz zusammen mit dem kapazitiven Gesetz der Translationsmechanik

[math]\Sigma_i \vec F_i + m \vec g = \dot {\vec p} = m \dot {\vec v} = m \vec a[/math]

Im Gegensatz zu den Oberflächenkräften (Impulsstromstärken bezüglich des Körpers) kann die Gewichtskraft (Stärke der Impulsquelle) nicht direkt gemessen werden. Zudem ist die schwere Masse (Gravitationsladung) unter keinen Umständen von der trägen Masse (Impulskapazität) zu unterscheiden. Folglich kann ohne vorher ausgewähltes Bezugssystem bei keinem Körper entschieden werden, welcher Anteil des über die Oberfläche fliessenden Impulses gespeichert und welcher mit dem Gravitationsfeld ausgetauscht wird. Geht man von einem ersten Bezugssystem aus und nimmt die dort gemessene Gravitationsfeldstärke als wahr an, sind alle gleichförmg dazu bewegten Bezugssysteme inertial. Damit entfällt auch die Möglichkeit, experimentell zwischen "echter" Gravitationskraft und Scheinkraft zu unterscheiden.

Relativitätstheorie

In der allgemeinen Relativitätstheorie können alle Bezugssysteme als gleichberechtigt angesehen und ineinander transformiert werden. Durch die Beschreibung der Gravitationswirkung als Krümmung der Raumzeit verschwindet die Gewichts- oder Schwerkraft und das Gravitationsfeld lässt sich rein geometrisch erklären. Die allgemeine Relativitätstheorie erweitert das Konzept des Inertialsystems derart, dass alle frei fallenden Systeme als lokal inertial angesehen werden können: in jedem antriebslos durch den Weltraum fliegenden System herrscht Schwerelosigkeit.