Physik der dynamischen Systeme: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 30. August 2006, 04:09 Uhr

Die Physik der dynamischen Systeme baut auf dem Karlsruher Physikkurs auf, benutzt die systemdynamische Modellierungstechnik und orientiert sich an der mathematischen Sprache der Kontinuumsphysik. Bilanz, Rolle der Energie und konstitutive Beziehungen bilden das Fundament dieses mehr methodisch denn historisch orientierten Ansatzes.

Bilanz

Die klassische Physik kennt neben der Energie sieben weitere mengenartige oder bilanzierfähige Grössen: Masse, Volumen, Impuls, Drehimpuls, elektrische Ladung, Entropie und Stoffmenge. Masse, Impuls, Drehimpuls sowie elektrische Ladung bleiben bei allen Prozessen erhalten. Entropie kann erzeugt, aber nicht vernichtet werden.

Die Bilanzgleichungen bezüglich eines Systems besagen, dass die Summe über alle Stromstärken zusammen mit der Quellenstärke und der Produktionsrate gleich der Änderungsrate des Inhaltes ist. Hinausfliessende Ströme, Senkenstärken und Vernichtungsraten erscheinen in der Bilanzgleichung mit negativem Wert.

Rolle der Energie

Die Physik der dynamischen Systeme weist der Energie eine klar definierte Rolle zu. Die Energie kann im System selber (innere Energie), in der Bewegung (Bewegungsenergie) und im elektromagnetischen oder Gravitationsfeld (potenzielle Energie) gespeichert werden. Ausgetauscht wird die Energie nur zusammen mit mindestens einer zweiten mengenartigen Grösse, dem Energieträger. Die bezüglich einer Referenzfläche pro Zeit transportierte Energie nennt man den zugeordneten Energiestrom. Die Stärke des zugeordneten Energiestromes ist gleich Trägerstromstärke mal zugehöriges Potenzial. Durchfliesst der Trägerstrom eine Potenzialdifferenz wird eine Prozessleistung (Stromstärke mal Potenzialdifferenz) umgesetzt. Die in einem Prozess freigesetzte Leistung wird von einem oder mehreren Prozessen aufgenommen (Prozesskopplung). Bei irreversiblen Prozessen dient ein Teil der freigesetzten Leistung der Entropieproduktion.

Menge Einheit Potenzial Einheit
Masse kg Gravitationspotenzial J/kg
Volumen m3 Druck Pa
Impuls Ns Geschwindigkeit m/s
Drehimpuls Nms Winkelgeschwindigkeit 1/s
Ladung C elektrisches Potenzial J/C
Entropie J/K Temperatur K
Stoffmenge mol chemisches Potenzial J/mol

konstitutive Gesetze

Die konstitutiven Gesetze ordnen der gespeicherten Menge ein Potenzial zu (kapazitives Gesetz), stellen einen Zusammenhang zwischen Stromstärke und Potenzialdifferenz (resistives Gesetz) oder zwischen Änderungsrate der Stromstärke und Potenzialdifferenz (induktives Gesetz) her. In vier von fünf Zweigen der Physik der dynamischen Systeme können Elemente mit kapazitivem, resistivem und induktivem Verhalten identifiziert werden:

Gebiet Kapazität Widerstand Induktivität
Hydrodynamik Federspeicher laminare Strömung Trägheit der Flüssigkeit
Elektrodynamik Kondensator Widerstand Spule
Translationsmechanik Masse Dämpfer Feder
Rotationsmechanik Massenträgheit Dämpfer Drehfeder

Die in der Tabelle genannten Elemente verhalten sich nahezu linear. Schaltet man eine Kapazität und eine Induktivität zusammen, erhält man einen Schwingkreis, der meist durch Widerstände gedämpft wird. In der Hydraulik treten oft nichtlineare Glieder wie Blasenspeicher oder Widerstände mit turbulenter Strömung auf. Im fünften Zweig, der Thermodynamik, kennt man keine Induktivitäten. Zudem verhalten sich Speicher und Widerstände (Wärmeleitung, Wärmeübergänge und Wärmestrahlung) nichtlinear. Weil die Primärgrösse der Thermodynamik, die Entropie, bei den meisten Prozessen erzeugt wird, ersetzt man oft die entropische durch eine energetische Betrachtung. Viele Stoffe verhalten sich bezüglich der Energie bei Zimmertemperatur nahezu linear.

Modellbildung

Die Bilanzgleichungen für die sieben Grundmengen lassen sich problemlos auf die Modellierungsoberfläche eines systemdynamischen Werkzeuges übertragen. Mit Hilfe von Kapazitäts- und (Widerstandsgesetze können die entsprechenden Rückkopplungen erzeugt werden. Zur Modellierung von Induktivitäten muss man weitere Bestandesgrössen (Stocks) einführen, was ein wenig gewöhnungsbedürftig ist. Die Rolle der Energie lässt sich dagegen als zweite Etage in die dynamische Struktur einfügen.

Die Physik der dynamischen Systeme liefert die optimale Struktur zu Modelica. Die Ströme der sieben Mengen können als Flussgrössen und die zugehörigen Potentiale direkt als Potenzialgrössen in den Konnektoren definiert werden. Für den Physikunterricht an Fachhochschulen ist eine spezielle Modelica-Bibliothek geschrieben worden (Physik der dynamischen Systeme mit Modelica).

Im Flüssigkeitsbild können dynamische Vorgänge aus der Trans- und Rotationsmechanik gut analysiert und verstanden werden. Dieses Bild eignet sich mit gewissen Einschränkungen auch für elektrische und thermische Systeme.