Entropie

Die Entropie ist die bilanzierfähige Primärgrösse der Thermodynamik. Entropie kann gespeichert, transportiert und produziert werden. Körper reagieren auf eine Entropiezufuhr mit einer Temperaturerhöhung (sensible Wärme), einer Volumenänderung oder einer Aggregatszustandsänderung (latente Wärme). Die Entropie wird in Joule pro Kelvin (J/K) gemessen. Als Formelzeichen verwenden wir ein S.

Entropie im Alltag

Die Entropie kann mit dem umgangssprachlichen Wort Wärme umschrieben werden

  1. Führt man einem Körper Wärme (Entropie) zu, steigt die Temperatur oder er beginnt zu schmelzen; Flüssigkeiten können auch verdampfen
  2. Das Fassungsvermögen für Wärme (Entropie) nimmt proportional mit der Menge eines Stoffes zu
  3. Durch Reibung entsteht Wärme (Entropie)
  4. Wärme (Entropie) kann durch einen Körper geleitet, zusammen mit einem Stoff transportiert und durch elektromagnetische Strahlung übertragen werden

Unglücklicherweise hat man Mitte des 19. Jahrhunderts Wärme als thermisch ausgetauschte Energie definiert. Diese heute noch gültige Definition trifft aber nur auf Punkt 1 in der oben aufgeführten Liste zu.

zugeordnete Energie

Fliesst ein Entropiestrom über eine Systemoberfläche, ist er entsprechend der absoluten Temperatur dieser Oberfläche mit Energie beladen. Der zugeordnete Energiestrom ist gleich Entropiestromstärke mal Temperatur

[math]I_W=T I_S[/math]

Beispiel: Fliesst von einer Kochherplatte ein Energiestrom (Leistung) der Stärke 1000 W in die Pfanne hinein und weist die Grenzschicht zwischen Platte und Pfanne eine Temperatur von 127°C auf, hat der Entropiestrom eine Stärke von

[math]I_S=\frac {I_W}{T}=\frac{1000 W}{400 K}[/math] = 2.5 W/K

Fliesst der gleiche Energiestrom (1000 W) in das 57°C warme Wasser hinein, ist der Entropiestrom auf

[math]I_S=\frac {I_W}{T}=\frac{1000 W}{330 K}[/math] = 3.03 W/K

angewachsen. Die Wärmeleitung ist total irreversibel, d.h. bei der Wärmeleitung schwillt der Entropiestrom maximal an und der Energiestrom bleibt erhalten. Aufgrund dieses Phänomens bezeichnet man die von der Entropie transportierte Energie und nicht die Entropie selber als Wärme.

Prozessleistung

Ohne Entropie lässt sich die Wirkweise einer Wärmepumpe oder einer Wärmekraftmaschine nicht verstehen. Die Wärmepumpe fördert Entropie von einem kalten zu einem wärmeren Körper und bei der Wärmekraftmaschine fliesst die Entropie von einem heissen zu einem kalten Körper. Bei den Wärmepumpen muss man Energie in Form von Prozessleistung von aussen zuführen, bei der Wärmekraftmaschine wird eine Prozessleistung freigesetzt.

In einem thermischen Prozess verhält sich die Entropie wie die Masse des Wasser bei einem Pumpspeicherwerk. Die Temperatur entspricht dann dem Gravitationspotential. Demnach ist die in einer idealen Wärmekraftmaschine oder einer idealen Wärmepumpe umgesetzte Prozessleistung gleich

[math]P=\Delta TI_S[/math]

Beispiel: Eine ideale Wärmepumpe fördert Entropie von 7°C auf 47°C und gibt dabei eine Heizleistung (thermisch zugeordneter Energiestrom) von 3.2 kW ab. Wie viel Leistung nimmt die Wärmepumpe auf? In einem ersten Schritt berechnet man die Stärke des von der Pumpe geförderten Entropiestromes [math]I_S=\frac {3200 W}{320 K}[/math] = 10 W/K. Danach bestimmt man die Prozessleistung P = 40 K*10 W/K = 400 W.

Entropieproduktion

Setzt der Strom einer Primärgrösse (Volumenstrom, elektrischer Strom oder Impulsstrom) eine momentane Prozessleistung frei, wird diese teilweise von einem oder mehreren Prozessen aufgenommen. Die Differenz zwischen vom "treibenden" Strom freigesetzter und und von den "getriebenen" Strömen aufgenommener Prozessleistung wird dissipiert. Die dissipierte Leistung dient der Entropieproduktion, wobei die Entropieproduktionsrate gleich der dissipierten Leistung dividiert durch die absolute Temperatur ist

[math]\Pi_S=\frac{P_{diss}}{T}[/math]

Beispiel: Ein Transformator gibt bei 6 V eine Leistung von 10 W ab und bezieht deshalb vom elektrischen Netz eine Leistung von 23 W. Der Transformator hat eine Betriebstemperatur von 27°C. Wie gross ist die Entropieproduktionsrate?

Der im Netzkreis fliessende Effektivstrom von 0.1 Ampère setzt eine Leistung von 23 W frei. Mit einem Teil dieser Prozessleistung wird im Sekundärkreis ein Strom von 1.67 Ampère angetrieben. Mit den nicht verwerteten 13 W wird Entropie produziert. Die Produktionsrate beträgt [math]\Pi_S = \frac {13 W}{300 K}[/math] = 0.0433 W/K.

gespeicherte Entropie

Führt man einem System Entropie zu, nimmt diese entsprechend der Systemoberfläche Energie mit. Der zugeordnete Energiestrom ist gleich Entropiestrom mal absolute Temperatur. Passiert innerhalb des Systems nichts mehr, verhält sich das System selber also reversibel, kann die Formel für den zugeordneten Energiestrom auf den Inhalt übertragen werden

[math]I_S=\frac{I_W}{T}=\frac{\dot W}{T}=\dot S[/math]

Die Änderungsrate der Entrope ist gleich der Änderungsrate der Energie dividiert durch die momentane Temperatur des Systems. Entropie- und Energieänderung hängen demnach wie folgt zusammen

[math]\Delta S=\int\dot S dt=\int\frac{\dot W}{T} dt=\int \frac{dW}{T}[/math]

Beispiel: Heizt man einen Körper bei konstantem Druck auf, entspricht die zugeführte Wärmeenergie Wth der Änderung der Enthalpie H des Systems. Heizt man nun eine bestimmte Menge Eis der Temperatur T1 auf bis man Wasser der Temperatur T2 hat, ist die zugeführte Wärmeenergie Wth gleich

[math]W_{th}=\Delta H=m\left[c_{Eis}(T_s-T_1)+q+c_{Wasser}(T_2-T_s)\right][/math]

Die c stehen für die spezifischen Wärmekapazitäten und q ist die spezifische Schmelzenthalpie. Bildet man nun für die drei Teilprozesse (Erwärmen von Eis, Schmelzen von Eis, Erwärmen von Wasser) die differentielle Änderung der Enthalpie, rechnet auf die Änderung der Entropie um und integriert über die Temperatur bzw. die umgewandelte Masse, erhält man

[math]\Delta S=m \left[c_{Eis}\ln\left(\frac{T_s}{T_1}\right)+\frac{q}{T_s}+c_{Wasser}\ln\left(\frac{T_2}{T_s}\right)\right][/math]

Orthodoxe Formulierung

Viele Lehrbücher der Thermodynamik folgen dem historischen Weg, obwohl Sadi Carnot schon 1824 eine einfachere Formulierung gefunden hat. Die orthodoxe Formulierung ist sehr formal und geht über mehrere Teilschritte

  1. Formulierung des zweiten Hauptsatzes als experimentelle Erfahrung: Es ist nicht möglich, eine periodisch arbeitende Maschine zu konstruieren, bei welcher nach einem Umlauf die einzige Änderung in der umgebenden Welt darin besteht, dass Arbeit geleistet und nur ein Wärmereservoir abgekühlt wurde. Zum zweiten Hauptsatz gibt es verschiedene, äquivalente Formulierungen.
  2. Formulierung des Carnot-Zyklus mit Hilfe des idealen Gases. Damit kann gezeigt werden, dass die thermisch zugeführte Energie dividiert durch die herrschende Gastemperatur gleich dem entsprechenden Quotienten bei der Wärmeabfuhr ist [math]\frac{Q_1}{T_1}=\frac{Q_1}{T_1}[/math] (in der klassischen Thermodynamik wird die thermisch ausgetauschte Energie als Wärme bezeichnet und mit Q symbolisiert).
  3. Kombiniert man einen Carnot-Zyklus, der Wärme von einem heissen zu einem kalten Wärmebad überführt, mit einer beliebigen Wärmepumpe, kann mit Hilfe des zweiten Hauptsatzes gezeigt werden, das der Carnot-Zyklus bei gegebenen Temperaturen den maximalen Wirkungsgrad aufweist.
  4. Durch Serieschaltung von beliebig vielen Carnot-Zyklen, bei denen minimalste Mengen Wärme ausgetauscht werden, erhält man dann eine allgemeingültige Aussage [math]\oint\frac{\delta Q_{rev}}{T}=0[/math]
  5. Diese Bedingung erlaubt die Einführung der Entropie S als neue Zustandsfunktion.

Dieser Weg, der einige geistige Klimmzüge erforderlich macht, dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass die Entropie nicht sehr populär ist. Viele Ingenieure haben deshalb resigniert und betrachten die Entropie als reine Rechengrösse, welche die Grenzen des technisch Machbaren aufzeigt.

Anordnung statt Unordnung

Die gespeicherte Entropie macht sich mikroskopisch durch die Zahl der Zustände (Zustandssumme) bemerkbar, die makroskopisch unter keinen Umständen zu unterscheiden sind. So nimmt die Zahl der möglichen Anordnungen der Atome beim Schmelzen von Metall enorm zu (Schmelzwärme).

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