Rakete
Eine Rakete (ital. rocchetta = Spindel) ist ein Flugkörper mit Rückstossantrieb. Weil der nach hinten abgegebene Strahl einen andern spezifischen Impuls besitzt als die Rakete, kann diese ihren eigenen spezifischen Impuls, also ihre Geschwindigkeit, unabhängig von andern Körper ändern.
Geschichte
Der erste überlieferte Raketenstart fand 1232 im Kaiserreich China statt. Im Krieg gegen die Mongolen setzten die Chinesen in der Schlacht von Kai-Keng eine Art Rakete ein. Dabei schossen sie eine Vielzahl simpler, von Schwarzpulver angetriebener Geschosse auf die Angreifer ab. Die Raketen sollten weniger den Gegner verletzen, als die feindlichen Pferde erschrecken.
In Europa fand der erste dokumentierte Start einer Rakete 1555 im rumänischen Hermannstadt statt. Der Flugkörper verfügte bereits über ein Drei-Stufen-Antriebssystem.
1942 hob die erste Großrakete Aggregat 4 (A4/V2) in Peenemünde ab und leitete damit die Nutzung von Raketen als Massenvernichtungswaffen ein.
1957 verließ eine leicht modifizierte Interkontinentalrakete vom Typ R-7 die Erdatmosphäre und brachte den Satelliten Sputnik in eine Umlaufbahn um die Erde.
Rakete als offenes System
Impulsbilanz
Eine Rakete tauscht Impuls über das ausströmende Gas, das Gravitationsfeld und die Oberfläche aus. Wählt man die positive Richtung der z-Achse nach oben, lautet die Impulsbilanz
- [math]I_{pz_{conv}} + \Sigma_{Gz} + I_{pz} = \dot p_z[/math]
Der Impulsinhalt der Rakete kann über das Kapazitivgesetz umgeschrieben werden
- [math]p_z = m v_z[/math]
- [math]\dot p_z = \dot m v_z + m \dot v_z[/math]
Der konvektive Impulsstrom darf als Geschwindigkeit des Gases mal Massenstromstärke geschrieben werden. Die Impulsbilanz nimmt, falls man die gravitativ bedingte Impulssenke und die Impulsstromstärke wie üblich als Kraft auf das System Rakete schreibt, die folgende Gestalt an
- [math]v_{Gas}I_m + F_{G{_z}} + F_{Wid{_z}} = \dot m v_z + m \dot v_z[/math]
Ersetzt man die Geschwindigkeit des Gases durch die Geschwindigkeit der Rakete und die Ausströmgeschwindigkeit des Gases (vGas = vz - c) und nimmt noch die Massenbilanz (Im = dm/dt) dazu, vereinfacht sich die Gleichung auf
- [math]{-}c I_m + F_{G{_z}} + F_{Wid{_z}} = m \dot v_z[/math]
Bezeichnet man -c Im als Schubkraft, nimmt die Impulsbilanz die Form des Aktionsprinzips von Newton an. Diese Lesart ist natürlich unsinnig, da die Newtonmechanik nicht direkt auf offene Systeme angewendet werden kann. Der Impulsinhalt der Rakete nimmt anfänglich zu, um gegen Schluss des Brennvorgangs, dann wenn die Rakentengeschwindigkeit grösser als die Ausströmgeschwindigkeit wird, wieder abzunehmen. Die Beschleunigung der Rakete ist aber immer nach oben gerichtet.
ohne Luftwiderstand
Lässt man die Wirkung der Luft weg, ist die Beschleunigung gleich der Summe aus Gravitationsfeldstärke und Ausströmgeschwindigkeit mal Änderungsrate der spezifischen Masse
- [math]\dot v_z = -g - c \frac{\dot m}{m}[/math]
Die z-Achse ist hier nach oben orientiert, die Gravitationsfeldstärke g als positive Grösse angenommen und die Impulsstromstärke gleich der Änderungsrate der Masse (Massenbilanz) gesetzt worden. Vernachlässigt man die höhenbedingte Änderung der Gravitationsfeldstärke, lässt sich diese Gleichung integrieren
- [math]v_e = v_a + c \ln \left( \frac {m_e}{m_a} \right) - g_0 t = v_a + c \ln \left( \frac {m_R}{m_R + m_T} \right) - g_0 t[/math]
Der Index e steht für Ende, a für Anfang, T für Triebstoff und R für Rakete ohne Triebstoff. Die Rakete fliegt umso schneller, je schneller das Gas ausströmt und je grösser das Verhältnis der Masse des Brennsoffes zur Restmasse ist. Weil die Gravitation eine überlagerte Fallbewegung erzeugt, sollte die Brennzeit der Rakete möglichst kurz gehalten werden.
Wirkungsgrad
Die Rakete fliegt um so schneller, je grösser das Massenverhältnis von Brennstoff zum Rest der Rakete ist. Neben der Technik schränken auch wirtschaftliche Überlegungen die Grösse dieses Verhältnisses ein. Definiert man den Wirkungsgrad als Verhältnis der kinetischen Energien der Rakete (ohne Luftwiderstand und Gravitationsfeld) zur kinetischen Energie des ausströmenden Gases relativ zur Rakete, erhält man mit va = 0
[math]\eta = \frac {m_R v_e^2}{m_T c^2} = [/math]
SD-Modell
Das Systemdiagramm der Rakete zeigt im Zentrum die Impulsbilanz, darüber die Massenbilanz und darunter die Integration der Höhe aus der Geschwindigkeit. Obwohl sich hier sowohl der Impuls wie auch die Masse mit der Zeit ändern, ist die Geschwindigkeit immer noch gleich dem Quotienten aus diesen beiden Grössen. Die Systemdiagramme zur Berechnungen der Dichte der Luft und der Gravitationsfeldstärke in Funktion der Höhe sind in den beiden auf der Spitze stehenden Quadraten verpackt.
Relationen und Parameter:
STELLA-Code | Bemerkung |
---|---|
Impuls(t) = Impuls(t - dt) + (Impulsstrom - Luftwiderstand - FG) * dt | Impulsbilanz |
Masse(t) = Masse(t - dt) + (Massenstrom) * dt | Massenbilanz |
Höhe(t) = Höhe(t - dt) + (v) * dt | Berechnung der Höhe |
v = Impuls/Masse | dynamische Geschwindigkeit |
Impulsstrom = Massenstrom*(v-c) | konvektiver Impulsstrom |
Luftwiderstand = Dichte/2*v*ABS(v)*AcW | Dichte hängt von der Höhe ab |
FG = Masse*g | Impulssenke |
Massenstrom = IF TIME<145 THEN -2190 ELSE 0 | 145 s Brenndauer |
g = g0*(r0/r)^2; r = Höhe+r0 | Erde als Kugel |
Dichte = IF Höhe<Kappa/(Kappa-1)*h0 THEN Dichte0*(1-(Kappa-1)/Kappa*Höhe/h0)^(1/(Kappa-1)) ELSE 0 | isentrope Atmosphäre |
h0 = Druck0/(Dichte0*g0) | Höhe bei inkompressibler Atmosphäre |
INIT Masse = 482000 | Startmasse |
AcW = 20 | effektiver Querschnitt |
c = 2750 | Ausströmgeschwindigkeit |
g0 = 9.8; r0 = 6.37E6 | in Gravitation |
Dichte0 = 1.29; Druck0 = 1.013E5; Kappa = 1.4 | in Luft |
Die V2/A4-Rakete
Zur V2-Rakete, die Hitler im zweiten Weltkrieg gegen Grossbritannien eingesetzt hat, findet man im Internet folgende Daten
Erststart: | 23. Mai 1942 |
Vollmasse: | 12‘428 kg |
Leermasse: | 2‘850 kg |
Sprengkopf: | 975 kg |
Treibstoff: | 8‘610 kg |
Durchmesser: | 1.65 m |
Schub: | 270 kN (300 kN Vakuum) |
Brenndauer: | 63 s |
spez. Impuls: | 2100 Ns/kg |
max. Höhe: | 90 km (187 km) |
Reichweite: | 287- 312 km |
Setzt man diese Werte ins SD-Modell ein, erhält man nebenstehend abgebildeten Ergebnisse.