2000-Watt-Gesellschaft

Die 2000-Watt-Gesellschaft ist ein energiepolitisches Modell, das im Rahmen des Programms Novatlantis an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) entwickelt wurde. Gemäss dieser Vision sollte der Energieumsatz jeder Person einer durchschnittlichen Leistung von 2000 Watt (17'500 kWh pro Jahr) entsprechen.

Modell

17500 Kilowattstunden pro Jahr braucht der Mensch im globalen Mittel. Dies entspricht einer kontinuierlichen Leistung von 2000 Watt. Die Schweiz hat die 2000-Watt-Grenze etwa 1960 überschritten. Heute verbrauchen die Einwohner der Schweiz etwa dreimal mehr, also 6000 Watt pro Person. Die Vision der 2000-Watt-Gesellschaft erlaubt einen Ausgleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und ermöglicht damit allen Menschen einen guten Lebensstandard. Durch den Einsatz von neusten, hoch effizienten Technologien und einem dichten Netzwerk von erfahrenen Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik soll diese Vision Schritt für Schritt realisiert werden. Die Vision der 2000-Watt-Gesellschaft sieht eine kontinuierliche Absenkung des Energiebedarfs auf 2000 Watt vor. Dieses Ziel soll so rasch wie möglich erreicht werden. Bis ins Jahr 2050 kann sich der Anteil an fossilen Energien von heute 3000 Watt auf 1500 Watt pro Person halbieren. Der weit gefasste Zeithorizont hat triftige Gründe: Der Wandel bedingt eine rigorose Anpassung der Infrastruktur und eine intelligente Lebensweise, sonst bleibt die 2000-Watt-Gesellschaft eine Vision

2000 Watt (2.72 PS) sind gut das Zwanzigfache des Energieumsatzes eines erwachsenen Menschen (100 W ergeben einen Tagesumsatz von 8.64 MJ bzw. 2066 kcal bzw. 2.4 kWh). 2000 W entsprechen der senkrechten Einstrahlung der Sonne auf eine Fläche von etwa 1.5 m2, die sich im Abstand der Erde im freien Weltraum befindet.

Kritik

1905 hat Albert Einstein die Energie als eigenständige Grösse abgeschafft, indem er gezeigt hat, dass Energie nur ein anderes Wort für Masse ist (Äquivalenz von Energie und Masse). 2000 W entsprechen einem Massenumsatz von 2.22 10-14 kg/s. Die Energie sollte deshalb nur noch als reine Buchhaltungsgrösse gesehen werden (die Systemphysik unterscheidet noch zwischen dem zugeordneten Energiestrom und der Prozessleistung, um die Buchhaltung transparenter zu gestalten). Eine differenziertere Analyse müsste von den Bedürfnissen der Menschen ausgehen und die Entropie (Transport, Speicherung und Erzeugung) in den Fokus rücken.

Die Schädigung der Ökosphäre, die es zu vermeiden gilt, sowie die Verschwendung der Rohstoffe, die auch noch von späteren Generationen genutzt werden wollen, gilt es zu minimalisieren. Diese Problematik hat selbstverständlich etwas mit dem menschlichen Energieumsatz zu tun, lässt sich aber so nicht lösen. Glühbirnen durch Energiesparlampen zu ersetzen ist nur dann eine Lösung, wenn dadurch die Gesamtbilanz positiv wird.

Menschen ändern ihr Verhalten am schnellsten durch Einsicht. Solange eine Mehrheit der Bevölkerung den Unterschied zwischen 2 kW und 2 kWh nicht zu erkennen vermag, artet die ganze Energiediskussion rasch in einen Glaubenskrieg aus. In dieser Hinsicht hat die Physik der dynamischen Systeme einiges zu bieten. Beschreibt sie doch alle Energie umsetzenden Prozesse in einem einheitlichen Bild.

Differenzierung

Das Postulat der 2000-Watt-Gesellschaft ist politisch gesehen eine gute Sache (allparteientauglich), als Handlungsmaxime aber nur bedingt brauchbar. Um den Verbrauch von Rohstoffen einzudämmen und der Schädigung der Umwelt Einhalt zu gebieten, muss man die menschlichen Aktivitäten einzeln analysieren und entsprechende Massnahmen einleiten.

  • Heizen: Im Gegensatz zu den Vögeln und Tieren, die nur ihre Körpertemperatur halten müssen, ist der nackte Affe auf Kleidung und geheizte Räume angewiesen. Die Temperatur eines Raumes bleibt im Winter konstant, solange die abfliessende Entropie ersetzt wird. Als erste Massnahme muss der Abfluss der Entropie verringert werden (Wärmedämmung). In zweiter Linie sollte die zugeführte Entropie nicht erzeugt, sondern aus der etwas kälteren Umgebung in die warmen Räume gepumpt werden. Energetisch ist die Entropieproduktion gleich aufwändig wie das Pumpen von 0 K (-273°C).
  • Kühlen: In den Gebieten, in denen es im Sommer unangenehm warm wir, werden die Räume gekühlt. Zum Kühlen muss die Entropie an die wärmere Umgebung weg gepumpt werden. Auch in diesem Fall vermindert eine gute Wärmedämmung den Zufluss von Entropie, womit die Wärmepumpen weniger zu leisten hat. Die zu kühlenden Räume sollten zudem möglichst gut gegen die Sonneneinstrahlung geschützt werden.
  • Essen und Trinken: Der Energieaufwand für das Kochen ist in den letzten Jahrzehnten sukzessive gesenkt worden. Die Entwicklung von den Gussplatten über die Glaskeramik zu den Induktions- und Mikrowellenherden hat den Ort der Entropieproduktion immer näher ans Kochgut gebracht. Weil im letzten Fall die Entropie hauptsächlich in den Nahrungsmitteln produziert wird, wären die Mikrowellenofen am effizientesten. Leider ist die Erzeugung der Mirkrowellen mit zu viel Energieverlust verbunden. Im Gegensatz zur Effizienzsteigerung in der Küche hat sich die Ökobilanz bei Produktion und Transport der Nahrung deutlich verschlechtert. Von der Saison unabhängige Verfügbarkeit von Früchten und Gemüse (Tomaten, Erdbeeren, Trauben,..), Globalisierung (exotische Früchte, freie Märkte) und Lohngefälle (Ernte in subventionierten Zonen, Verarbeitung in Tieflohnländern und Verkauf in Hochlohnländern) sorgen dafür, dass jedes Kilogramm Nahrungsmittel im Schnitt hunderte oder gar tausende von Kilometer zurücklegt bis es verzehrt wird. Dazu kommen noch die durchgehenden Kühlketten, die z.B. dafür sorgen, dass der Fisch immer kälter als 5°C bleibt, bevor er nicht zubereitet wird.
  • Transport: Der Transport von Gütern und Menschen erfordert Energie, weil jede Bewegung auf der Erde mit einer Entropieproduktion (Reibung) verbunden ist. Effiziente Transporte sind reibungsarm (Schienenfahrzeuge, Fliegen in grosser Höhe, evakuierte Röhren, magnetische Lagerung) oder werden mit kleiner Geschwindigkeit ausgeführt. Die durch die technologische Entwicklung (Dampfmaschinen, Verbrennungsmotoren, Gasturbinen, Elektromotoren) erzielte Verbesserung des Wirkungsgrads (in der Regel Verhältnis von mechanischer zu thermischer Leistung) wird durch den Mehrbedarf laufend zu Nichte gemacht.


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