Wärmetransport

Wärme kann wie der Impuls auf drei Arten transportiert werden

Die Energiezuordnung (absolute Temperatur mal Stärke des Entropiestromes gleich Stärke des zugeordneten Energiestroms) gilt nur für den leitungsartigen Wärmestrom. Weil zudem bei allen drei Transporten Entropie produziert wird, beschäftigen wir uns in dieser Vorlesung nur mit der Energiebilanz.

Lernziele

Sie lernen in dieser Vorlesung

  • dass für die Wärme(energie)leitung ein zur elektrischen Leitung analoges Gesetz gilt
  • wie der totale Energiestrom bezüglich einer Referenzfläche bei einem konvektiven Transport berechnet wird
  • wie das Abstrahlungsgesetz für einen grauen, kugelförmigen Körper in homogener Umgebung formuliert wird
  • dass ein sich abkühlender Körper in erster Näherung durch ein lineares RC-Glied modelliert werden kann

Wärmeleitung

Geht man bei der Wärmeleitung von der Energie als Bilanzgrösse aus, darf der Zusammenhang zwischen Temperaturdifferenz und Wärmestrom durch einen zum Ohmschen Gesetz analogen Zusammenhang beschrieben werden. Aus U = R I wird so

[math]\Delta T=R_W I_W[/math]

Das Verhalten eines Wärmeleiters kann statt mit einem thermischen Widerstand RW auch mit Hilfe des reziproken Leitwerts GW beschrieben werden.

[math]I_W=G_W\Delta T[/math]

Der thermische Widerstand wird in K/W und der thermische Leitwert wie die Entropie in W/K gemessen. Den thermischen Leitwert könnte man auch in W/°C angeben, die Entropie aber natürlich nicht.

Analog zum Leitwert eines Drahts lässt sich der thermische Leitwert eines prismatischen Körpers (Querschnitt A, Dicke d) mit einer einfachen Formel beschreiben

[math]G_W=\lambda\frac{A}{d}[/math]

Die materialspezifische Grösse λ heisst Wärmeleitfähigkeit. Die Wärmeleitfähigkeit hängt wie die elektrische Leitfähigkeit von der Temperatur ab. Bei komplexeren Geometrien wie etwa einem Fensterrahmen muss der Leitwert mit Hilfe eines FE-Programms (Programm, das mit der Methode der finiten Elemente arbeitet) berechnet werden.

In einem wärmeleitenden Bauteil fällt der Entropiestrom thermisch hinunter und setzt dabei eine Prozessleistung frei. Die mit dieser Prozessleistung produzierte Entropie vergrössert den ursprünglichen Entropiestrom. Nun gehen wir von der Entropiebilanz bezüglich eines Bauteils aus, das die Wärme stationär leitet, und setzen die Energiezuordnung ein

[math]\Pi_S=I_{S2}-I_{S1}=I_W\left(\frac{1}{T_2}-\frac{1}{T_1}\right)=I_W\frac{T_1-T_2}{T_1 T_2}=G_W\frac{(\Delta T)^2}{T_1 T_2}[/math]

Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch über die im thermischen Prozess dissipierte Leistung

[math]\Pi_S=\frac{P_{diss}}{T_2}=\frac{I_{S1}(T_1-T_2)}{T_2}=I_W\frac{T_1-T_2}{T_1 T_2}[/math]

In der letzten Umformung sind Zähler und Nenner mit der Eingangstemperatur T1 erweitert worden. Diese Temperatur mal die Stärke des dort zuströmenden Entropiestromes ergibt den zugeordneten Energiestrom, der bei stationärer Prozessführung längs der Wärmeleitung erhalten bleibt.

Konvektion

Die Konvektion in unserer Atmosphäre bestimmt das Wetter und die Konvektion in den Weltmeeren dominiert das Klima. Technische Geräte wie das Venturirohr oder das Staurohr messen die durch Konvektion verursachten Druckveränderungen. Weil jeder konvektive Transport ein äusserst komplexes Phänomen ist, bei dem die bewegte Materie Energie, Entropie sowie Impuls speichert und längs des Transportweges austauscht, beschränken wir uns hier auf die Beschreibung des Energietransports bezüglich eines Querschnitts.

Ein Fluid kann die Energie auf vier Arten transportieren: als hydraulisch zugeordnete Energie, als kinetische, als Gravitations- oder als innere Energie. Folglich dürfen jedem Volumenstrom vier Energieterme zugeordnet werden

[math]I_W=\left(p+\frac{\rho}{2}v^2+\varrho g z+\rho_W\right)I_V[/math]

Entsprechend gilt für den Massenstrom

[math]I_W=\left(\frac{p}{\varrho}+\frac{v^2}{2}+ g z+w\right)I_m[/math]

Die Dichte der inneren Energie wird mit ρW und die spezifische innere Energie mit w bezeichnet (einer spezifischen Grösse weist man meist einen kleinen Buchstaben als Formelzeichen zu). Für die Höhe wird hier z geschrieben, damit keine Verwechslung mit der spezifischen Enthalpie h möglich ist.

Nun ist der Kehrwert der Dichte das spezifische Volumen. Folglich lassen sich der erste und der letzte Term zur spezifischen Enthalpie ([math]h=w+\frac p\varrho[/math]) zusammenfassen

[math]I_W=\left(\frac{v^2}{2}+ g z+h\right)I_m=\left(\frac{v^2}{2}+ g z+c_p(T-T_0)\right)I_m[/math]

In der letzten Umformung ist die spezifische Enthalpie mit Hilfe des kapazitiven Gesetzes ersetzt worden. Dazu ist die Enthalpie bei der Temperatur T0 gleich Null gesetzt worden.

Wärmestrahlung

Die Strahlung, die sich im Innern eines evakuierten Hohlraumes bei konstanter Temperatur der Wände aufbaut, ist schon im 19. Jahrhundert untersucht und theoretisch erklärt worden. Diese Hohlraumstrahlung bildet das Basismodell für viele Strahlungsphänomene. Bohrt man ein kleines Loch in den Hohlraum, entweicht eine Wärmestrahlung, deren Intensität nur von der Temperatur im Hohlraum und dem Winkel gegen die Mittelachse der Bohrung bestimmt wird. Nimmt man statt des Lochs eine materielle Oberfläche, ist die Intensität bei sonst gleichen Bedingungen kleiner als beim Loch, d.h. das Loch ist der beste aller Strahler.

Um die Strahlung zwischen zwei beliebig geformten Körpern verschiedener Temperaturen zu rechnen, müsste man beide Oberflächen in kleine Stücke zerlegen und für jedes Stück die Intensität in Funktion des Winkels gegen die Flächennormale sowie die Absorptionsfähigkeit bestimmen. Danach ist die Intensität über die Oberfläche beider Körper und die zugehörigen Raumwinkel zu summieren. Wir beschränken uns hier auf eine Summenformel für graue, kugelförmige Körper der Temperatur T in einer homogenen Umgebung der Temperatur T0. Der Nettoenergiestrom ist dann gleich

[math]I_W=\sigma\varepsilon A(T^4-T_0^4)[/math]

σ ist die universelle Stefan-Boltzmann-Konstante und hat den Wert 5.67 10-8 W/(m2K4). A ist die Oberfläche der Kugel. ε heisst Emissionszahl und beschreibt die Abweichung gegenüber einem idealen Strahler (einem Loch in der Wand eines Hohlraumes mit ε = 1). Ein ideal verspiegelter Körper, der überhaupt nicht strahlt, würde mit ε = 0 beschrieben. Die oft gebrauchten Wörte schwarz (ε = 1), grau (0 < ε < 1) und weiss (ε = 0) sind in diesem Zusammenhang etwas irreführend, weil sich schwarz, grau und weiss eigentlich auf das sichtbare Licht beziehen, mit der Emissionszahl aber das ganze Spektrum von infrarot bis ultraviolett erfasst wird.

Ist der Körper nicht viel heisser als die Umgebung, kann ein lineares Näherungsgesetz formuliert werden

[math]I_W=\sigma\varepsilon A(T-T_0)(T^3+T^2T_0+TT_0^2+T_0^3)\approx 4T_0^3\sigma\varepsilon A(T-T_0)=G_W(T-T_0)[/math]

Somit verhält sich die Strahlung bei kleiner Temperaturdifferenz wie ein Wärmeleiter.

Beispiel: Die Solarkonstante, welche die Strahlungsenergie beschreibt, die pro Zeit und pro Fläche im Abstand der Erde von der Sonne weggeht, beträgt jW = 1367 W/m2. Welche Temperatur würde sich auf der Erde einstellen, wenn sich diese wie ein grauer Körper verhalten würde?

Diese Frage lässt sich mit einer einfachen Energiebilanz bezüglich des Systems Erde beantworten. Weil sich die Erde bezüglich Ein- und Abstrahlung im Fliessgleichgewicht befindet, gilt

[math]I_{W_{ein}}=\varepsilon j_W\pi r^2=I_{W_{ab}}=\varepsilon 4\pi r^2\sigma T^4[/math]

Diese Energiebilanz liefert eine Temperatur von

[math]T=\sqrt[4]{\frac{j_W}{4\sigma}}[/math] = 278.6 K

Der so ermittelte Wert liegt nur 10°C unter dem effektiven Mittelwert der Atmosphäre in Bodennähe (15°C).

Wärmedurchgang

Ein Tasse besitzt einen Henkel, damit man sich nicht die Finger verbrennt. Füllt man die Tasse mit heissem Tee, fliesst die Wärme vom Tee durch das Porzellan an die Oberfläche, um von dort an die Luft übertragen oder abgestrahlt zu werden. Die sich erwärmende Luft steigt auf und erzeugt längs der Tassenwand eine natürliche Konvektion. Um dieses komplexe Phänomen mit Konvektion und Strahlung einfach zu beschreiben, führt man eine empirische Grösse ein, die Wärmeübergangskoeffizient α genannt wird. Der Wärmeübergangskoeffizient beschreibt die Stärke der Energiestromdichte (Energiestrom pro Fläche), die pro Kelvin oder Grad Celsius Temperaturdifferenz zwischen Oberfläche und umgebender Luft fliesst. Einen Wärmeübergangskoeffizienten führt man immer dann ein, wenn die Wärme auf eine Grenzschicht zwischen Festkörper und Gas oder Festkörper und Flüssigkeit trifft.

Der Wärmeleitwert einer Grenzschicht ist gleich Wärmeübergangskoeffizient mal Fläche

[math]G_W=A\alpha[/math]

Auf ihrem Weg vom Tee an die Luft muss die Wärme zwei Grenzschichten und die Tassenwand selber passieren. Weil Leitwerte bei Reihenschaltung reziprok addiert werden, gilt für den Gesamtleitwert zwischen Tee und Luft

[math]\frac{1}{G_W}=\frac{1}{G_{W_{innen}}}+\frac{1}{G_{W_{Wand}}}+\frac{1}{G_{W_{aussen}}}=\frac{1}{A_{innen}\alpha_{innen}}+\frac{d}{A_{mittel} \lambda}+\frac{1}{A_{aussen}\alpha_{aussen}}[/math]

Die drei Flächen dürfen gleich gesetzt werden, weil sie sich nicht sehr stark voneinander unterscheiden. Multipliziert man die ganze Gleichung mit dieser Fläche, erhält man auf der linken Seite den Kehrwert des Wärmedurchgangskoeffizienten, auch U-Wert genannt

[math]\frac 1U=\frac 1\alpha_i+\frac d\lambda+\frac 1\alpha_a[/math]

Der kleinste Teil-Leitwert legt die ungefähre Grösse des Gesamtleitwerts fest, d.h. der kleinste Leitwert ist oft nicht viel grösser als der Gesamtleitwert. So auch bei der Tasse. Weil der Wärmeübergangskoeffizient Tasse-Luft klein ist, was einer schlechten Wärmeleitung entspricht, staut sich dort die Wärme. Entsprechend hoch liegt die Temperatur an der Oberfläche der Teetasse.

Der Wärmedurchgangskoeffizient ist in der Bauphysik eine wichtige Grösse. Für Fenster, Türen, Wände und Dach wird der U-Wert (früher k-Wert genannt) meist direkt angegeben. Um den Gesamtleitwert der Hülle eines Hauses zu ermitteln, muss man dann nur noch die U-Werte mit den entsprechenden Flächen multiplizieren und zusammen zählen.

thermisches RC-Glied

"Der Tod ist vor etwa 12 Stunden eingetreten". Diese oder eine ähnliche Antwort gibt der Gerichtsmediziner in jedem zweiten Fernsehkrimi auf die entsprechende Frage des Kommissars. Die Todeszeit wird, falls diese nur wenige Stunden zurück liegt, meist aufgrund der Rektaltemperatur bestimmt. Nun kühlt der Rumpf des menschlichen Körpers etwa wie ein thermisches RC-Glied aus, dessen Verhalten sich mit einer Exponentialfunktion beschreiben lässt

[math]\Delta T=\Delta T_0e^{-t/\tau}[/math] mit [math]\tau=R_WC=C/G_W[/math]

Machen wir dazu ein einfaches Modell. Vögel und Säugetiere setzen im Ruhezustand pro Kilogramm Körpergewicht und pro Stunde etwa eine Kilokalorie Wärme frei. Eine Kilokalorie entspricht dem Zahlenwert der spezifischen Wärmekapazität von Wasser (4.2 kJ/(°C kg)). Nimmt man einen Menschen von 80 kg, ergibt dies einen abfliessenden Energiestrom von

[math]I_W=\frac{80 kg \cdot 4.2 kJ/kg}{3600s}[/math] = 93 W

Rechnet man die geringen körperlichen Aktivitäten eines modernen Menschen dazu (sitzen, reden, schreiben), kommt man auf etwa 100 W. Die Heizleistung einer Gemeindeversammlung mit 150 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger beträgt demnach etwa 15 kW. Nun sind die Leute so bekleidet, dass sie bei 20°C nicht frieren. Folglich beträgt der Leitwert (Kleidung und äussere Fettschicht) etwa

[math]G_W=\frac{I_W}{\Delta T}=\frac{100 W}{17 K}[/math] = 5.9 W/K

Geht man davon aus, dass die Wärmekapazität des 80 kg schweren Menschen etwa der Kapazität von 70 Litern Wasser entspricht, ergibt sich ein Wert von 294 kJ/°C. Die Zeitkonstante τ beträgt folglich etwa 4.9 104 s oder 13.8 h. Im Gegensatz zu diesem einfachen Modell zeigt die empirisch gemessen Kurve einen sigmoidalen Verlauf (Plateau, dann steil abfallend und zuletzt asymptotisch gegen die Umgebungstemperatur), weshalb sie oft mit zwei überlagerten Exponentialfunktionen approximiert wird. Das anfängliche Plateau, die über etwa zwei Stunden nach Eintritt des Todes beinahe konstant gehaltene Temperatur, dürfte von den chemischen Reaktionen herrühren, die über eine bestimmte Zeit weiter laufen und zusätzlich Wärme produzieren. Als Faustregel gilt bei normal bekleideten Leichen bei einer Aussentemperatur von 20°C bis zu einer Temperatur von 25°C: Abkühlung pro Stunde um 1°C ab zwei Stunden nach dem Zeitpunkt des Todes.

Kontrollfragen

  1. Wie ist der thermische Leitwert definiert?
  2. Wie verändert sich der Leitwert, wenn man die Dicke einer Wärmedämmschicht verdoppelt?
  3. Wie beschreibt man die von einem Fluid durch eine Referenzfläche transportierte Energie?
  4. Wie viel Energie strahlt die Sonne pro Sekunde ab? Wie viel Masse verliert sie dadurch? Die Abstand Erde-Sonne beträgt 150 Millionen Kilometer.
  5. Ein Fenster hat einen U-Wert von 1.2 W/(m2)°C. Wie viel Energie fliesst in 24 Stunden durch das 4 m2 grosse Fenster bei einer Innentemperatur von 20°C und einer mittleren Aussentemperatur von 0°C?
  6. Ein Metallklotz kühlt in einer 20°C warmen Umgebung in 8 Stunden von 150°C auf 70°C ab. Wie lange dauert es insgesamt, bis der Klotz nur noch 30°C warm ist?

Antworten zu den Kontrollfragen

  1. Der thermische Leitwert eines Bauteils entspricht dem Quotienten aus der Stärke des durchfliessenden Wärmeenergiestromes und der zugehörigen Temperaturdifferenz.
  2. Der Leitwert halbiert sich bei Verdoppelung der Schichtdicke.
  3. Die von einem Fluid transportierte Energie ist gleich Druck plus Dichte der kinetischen, der potenziellen und der inneren Energie mal die Stärke des Volumenstromes.
  4. Multipliziert man die Solarkonstante mit der Oberfläche einer Kugel (Radius von 150 Millionen Kilometer), erhält man einen Energiestrom von 3.87 1026 W. Eine Division durch das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit liefert einen Verlustrate an Sonnenmasse im Umfang von 4.3 109 kg/s.
  5. Durch das Fenster fliesst ein Energiestrom von 96 W, was pro Tag einen Energieverlust von 8.29 MJ (2.3 kWh) ergibt.
  6. Aus der Gleichung [math]\Delta T=\Delta T_0 e^{-t_1/\tau}[/math] folgt eine Zeitkonstante von [math]\tau=\frac{t_1}{\ln\left(\frac{\Delta T_0}{\Delta T_1}\right)}[/math] = 8.37 h. Mit Hilfe dieser Grösse kann die gesuchte Zeit berechnet werden [math]t_2=\tau\ln\left(\frac{\Delta T_0}{\Delta T_2}\right)[/math] = 21.5 h.

Materialien

Physik und Systemwissenschaft in Aviatik 2014

Physik und Systemwissenschaft in Aviatik