Laplacescher Dämon: Unterschied zwischen den Versionen

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Mit der von ihm entwickelten [[Störungsrechnung]] hat Laplace gezeigt, dass das Sonnensystem auch unter der periodisch sich ändernden Gravitationswirkung von Jupiter und Saturn stabil bleibt und dass Gott nicht immrt wieder - wie von Newton postuliert - für Ordnung sorgen muss (bei einem Vortrag über die Himmelsmechanik soll Laplace auf die Frage Napoleons nach der Einflussnahme des Schöpfers geantwortet haben: "Sire, diese Hypothese benötige ich nicht.") Gemäss Laplace ist die Zukunft unseres Sonnensystems durch die einmal gewählten Anfangsbedingungen eindeutig bestimmt. Die Gesetze der [[Himmelsmechanik]] bilden den einmal gewählten Anfangszustand ([[Ort]] und [[Geschwindigkeit]] aller Körper des Sonnensystems) auf jeden zukünftigen [[Zustandsgrösse|Zustand]] ab.
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''Pierre-Simon Laplace'' (1749 -1827) hat mit der von ihm entwickelten [[Störungsrechnung]] gezeigt, dass das Sonnensystem auch unter der periodisch sich ändernden Gravitationswirkung von Jupiter und Saturn stabil bleibt und dass Gott nicht immrt wieder - wie von Newton noch postuliert - für Ordnung sorgen muss (bei einem Vortrag über die Himmelsmechanik soll Laplace auf die Frage Napoleons nach der Einflussnahme des Schöpfers geantwortet haben: "Sire, diese Hypothese benötige ich nicht.") Gemäss Laplace ist die Zukunft unseres Sonnensystems durch die einmal gewählten Anfangsbedingungen eindeutig bestimmt. Die Gesetze der [[Himmelsmechanik]] bilden dann den einmal gewählten Anfangszustand ([[Ort]] und [[Geschwindigkeit]] aller Körper des Sonnensystems) auf jeden zukünftigen [[Zustandsgrösse|Zustand]] ab.
   
 
==Funktion des Dämons==
 
==Funktion des Dämons==
Nimmt man nun an, dass das Universium als Ganzes wie das Sonnensystem durch einen Satz von Differentialgleichungen beschrieben wird, ist jeder zukünftige Zustand durch den momentanen Zustand eindeutig festgelegt: die Gesetze der Physik bilden den heutigen Zustand des Universums vollständig auf jeden zukünftigen ab. Somit ist im abgeschlossenes [[System]] Universum die Zukunft heute schon festgelegt (determiniert) Der Laplacesche Dämon ist nun ein rein geistiges Wesen, das die Gesetze und den momentanen Zustand des Universums exakt kennt. Folglich kann dieser Dämon den Zustand des Universum zu jedem späteren Zeitpunkt berechnen: der Laplacesche Dämon kennt heute schon die ganze Zukunft.
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Nimmt man nun an, dass das Universium als Ganzes analog zum Sonnensystem durch einen Satz von Differentialgleichungen beschrieben wird, ist jeder zukünftige Zustand durch den momentanen Zustand eindeutig festgelegt: die Gesetze der Physik bilden den heutigen Zustand des Universums vollständig auf jeden zukünftigen ab. Somit ist im abgeschlossenes [[System]] Universum die Zukunft heute schon festgelegt (determiniert) Der Laplacesche Dämon ist nun ein rein geistiges Wesen, das die Gesetze und den momentanen Zustand des Universums exakt kennt. Folglich kann dieser Dämon den Zustand des Universum zu jedem späteren Zeitpunkt berechnen: der Laplacesche Dämon kennt heute schon die ganze Zukunft.
   
 
==Erkenntnistheorie==
 
==Erkenntnistheorie==
 
===Geist und Materie===
 
===Geist und Materie===
Nachhaltigen Einfluss auf unsere Auffassung des Verhältnisses Geist und Materie hatte die Lehre des französischen Philosophen ''René Descartes'' (1596-1650). Ihr zufolge ist die Seele ein unräumliches Wesen, das in einem bestimmten Punkt des Gehirns mit dem Körper in Verbindung tritt. Diese Trennung zwischen der materiellen Natur und dem immatriellen Geist, die auch den meisten Religionen zu grunde liegt, hat die Entwicklung der Mechanik wesentlich geprägt. Die Mechanik, als reine Bewegungslehre aufgefasst, läuft zusammen mit der absoluten Zeit in einem sich passiv verhaltenen Raum ab. Gott und der beseelte Mensch können diese Abläufe beobachten, analysieren und in ihrem Geist speichern. Nach dieser Auffassung kann [[Information]] enrgiefrei übertragen und gespeichert werden.
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Nachhaltigen Einfluss auf unsere Auffassung des Verhältnisses Geist und Materie hatte die Lehre des französischen Philosophen ''René Descartes'' (1596-1650). Ihr zufolge ist die Seele ein nicht räumliches Wesen, das in einem bestimmten Punkt des Gehirns mit dem Körper in Verbindung tritt. Diese Trennung zwischen der materiellen Natur und dem immatriellen Geist, die auch den meisten Religionen zu grunde liegt, hat die Entwicklung der Mechanik wesentlich geprägt. Die Mechanik bestimmt in einem sich passiv verhaltenen Raum den die Bewegung der Körper. Gott und der beseelte Mensch können diese Abläufe beobachten, analysieren und in ihrem Geist speichern. Nach dieser Auffassung kann [[Information]] energiefrei übertragen und gespeichert werden. Erkenntnisse über den Zustand können gewonnen werden, ohne dass das System gestört wird.
   
 
===Uhrwerk===
 
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===Willensfreiheit===
 
===Willensfreiheit===
Wo Gottes Wille so uneingeschränkt waltet wie im deterministischen Universum hat der Mensch gar nichts mehr zu wollen. Jede Entscheidung, die er triftt, und jedes Urteil, das er fällt, basiert auf der weltlichen Erfahrung und ist somit Teil des universellen Plan Gottes. Der Mensch als Rädchen im umfassenden und perfekten Uhrwerk Gottes dreht sich genau nach dem Willen seines Schöpfers. In einer dermassen deterministischen Auffassung der Welt scheint es keinen Platz mehr zu geben für einen freien Willen oder eine individuelle Verantwortung für eine Untat.
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Wo Gottes Wille so uneingeschränkt waltet wie im deterministischen Universum hat der Mensch gar nichts mehr zu wollen. Jede Entscheidung, die er triftt, und jedes Urteil, das er fällt, basiert auf der weltlichen Erfahrung und ist somit Teil des universellen Plan Gottes. Der Mensch als Rädchen im umfassenden und perfekten Uhrwerk Gottes dreht sich exakt nach dem Willen seines Schöpfers. In einer dermassen deterministischen Welt gibt es keinen Platz mehr für einen freien Willen oder eine individuelle Verantwortung.
   
 
==Einwände==
 
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===klassische Mechanik===
 
===klassische Mechanik===
Das [[Punktmechanik|punktmechanischen]] Sonnensystem von Laplace wird durch einen Satz von Differentialgleichungen zweiter Ordnung bestimmt: die Beschleunigung des Körpers ''i'' ist gleich der dort herrschenden [[Gravitationsfeld]]stärke, wobei diese Feldstärke von allen andern Körpern gemäss des Newtonschen Gravitationsgesetzes aufgebaut wird
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Das [[Punktmechanik|punktmechanischen]] Sonnensystem von Laplace wird durch einen Satz von Differentialgleichungen zweiter Ordnung bestimmt: die Beschleunigung des Körpers mit der Bezeichnung ''i'' ist gleich der dort herrschenden [[Gravitationsfeld]]stärke, wobei diese Feldstärke von allen andern Körpern gemäss des Newtonschen Gravitationsgesetzes aufgebaut wird
   
 
:<math>\ddot {\vec s_i} = \vec g_i = G \sum_j \frac {m_j}{s_{ij}^3}\vec s_{ij}</math>
 
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Könnte man dieses System für eine feste Zahl ''n'' von Körpern geschlossen lösen, würden 6n [[Skalar|skalare]] Anfangsbedingungen (für jeden Körper je drei Orts- und drei Geschwindigkeitskomponenten) die zeitliche Entwicklung des Systems vollständig festlegen. Weil diese 6n skalaren Anfangsbedingungen neben der Einheit aus je einer reelle Zahlen bestehen, ist der Informationsgehalt jeder einzelner Anfangsbedingung (überabzählbar) unendlich gross und müsste durch einen beliebig aufwendigen Messprozess immer genauer eingegrenzt werden. Die Anfangsbedingung legt wohl die Zukunft fest, lässt sich aber nur durch einen iterativen Prozess präziser fassen. Je genauer die Anfangsbedingung bekannt ist, desto weiter kann man in die Zukunft sehen.
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Könnte man dieses System für eine feste Zahl ''n'' von Körpern geschlossen lösen, würden 6n [[Skalar|skalare]] Anfangsbedingungen (für jeden Körper je drei Orts- und drei Geschwindigkeitskomponenten) die zeitliche Entwicklung des Systems vollständig festlegen. Weil diese 6n skalaren Anfangsbedingungen aus je einer reelle Zahlen und der Einheit bestehen, ist der Informationsgehalt jeder einzelner Anfangsbedingung (überabzählbar) unendlich gross und muss durch einen beliebig aufwendigen Messprozess möglichst genau eingegrenzt werden. Die Anfangsbedingung legt wohl die Zukunft fest, lässt sich aber nur durch einen iterativen Messprozess bestimmen und muss in einem in der Regel beliebig grossen Speicher abgelegt werden. Je genauer die Anfangsbedingungen bekannt sind, desto weiter kann man in die Zukunft sehen.
   
 
Chaos
 
Chaos

Version vom 5. August 2007, 08:31 Uhr

Pierre-Simon Laplace (1749 -1827) hat mit der von ihm entwickelten Störungsrechnung gezeigt, dass das Sonnensystem auch unter der periodisch sich ändernden Gravitationswirkung von Jupiter und Saturn stabil bleibt und dass Gott nicht immrt wieder - wie von Newton noch postuliert - für Ordnung sorgen muss (bei einem Vortrag über die Himmelsmechanik soll Laplace auf die Frage Napoleons nach der Einflussnahme des Schöpfers geantwortet haben: "Sire, diese Hypothese benötige ich nicht.") Gemäss Laplace ist die Zukunft unseres Sonnensystems durch die einmal gewählten Anfangsbedingungen eindeutig bestimmt. Die Gesetze der Himmelsmechanik bilden dann den einmal gewählten Anfangszustand (Ort und Geschwindigkeit aller Körper des Sonnensystems) auf jeden zukünftigen Zustand ab.

Funktion des Dämons

Nimmt man nun an, dass das Universium als Ganzes analog zum Sonnensystem durch einen Satz von Differentialgleichungen beschrieben wird, ist jeder zukünftige Zustand durch den momentanen Zustand eindeutig festgelegt: die Gesetze der Physik bilden den heutigen Zustand des Universums vollständig auf jeden zukünftigen ab. Somit ist im abgeschlossenes System Universum die Zukunft heute schon festgelegt (determiniert) Der Laplacesche Dämon ist nun ein rein geistiges Wesen, das die Gesetze und den momentanen Zustand des Universums exakt kennt. Folglich kann dieser Dämon den Zustand des Universum zu jedem späteren Zeitpunkt berechnen: der Laplacesche Dämon kennt heute schon die ganze Zukunft.

Erkenntnistheorie

Geist und Materie

Nachhaltigen Einfluss auf unsere Auffassung des Verhältnisses Geist und Materie hatte die Lehre des französischen Philosophen René Descartes (1596-1650). Ihr zufolge ist die Seele ein nicht räumliches Wesen, das in einem bestimmten Punkt des Gehirns mit dem Körper in Verbindung tritt. Diese Trennung zwischen der materiellen Natur und dem immatriellen Geist, die auch den meisten Religionen zu grunde liegt, hat die Entwicklung der Mechanik wesentlich geprägt. Die Mechanik bestimmt in einem sich passiv verhaltenen Raum den die Bewegung der Körper. Gott und der beseelte Mensch können diese Abläufe beobachten, analysieren und in ihrem Geist speichern. Nach dieser Auffassung kann Information energiefrei übertragen und gespeichert werden. Erkenntnisse über den Zustand können gewonnen werden, ohne dass das System gestört wird.

Uhrwerk

Das Universum, so schrieb der englische Chemiker Robert Boyle im 17. Jahrhundert, »gleicht einer seltenen Uhr, etwa der des Straßburger Münsters«. Die Uhr - oder etwas konkreter das Uhrwerk - ist zu einer Metapher für die auf Laplace zurückgehende Auffassung des deterministischen Universums geworden. Gott hat das Universum mit all ihren Gesetzen so geschaffen, wie ein Uhrmacher die perfekte Uhr bauen würde. Einmal erschaffen und in den richtigen Anfangszustand gebracht läuft das Universum unerbittlich nach dem Wille der göttlichen Vorsehung ab.

Willensfreiheit

Wo Gottes Wille so uneingeschränkt waltet wie im deterministischen Universum hat der Mensch gar nichts mehr zu wollen. Jede Entscheidung, die er triftt, und jedes Urteil, das er fällt, basiert auf der weltlichen Erfahrung und ist somit Teil des universellen Plan Gottes. Der Mensch als Rädchen im umfassenden und perfekten Uhrwerk Gottes dreht sich exakt nach dem Willen seines Schöpfers. In einer dermassen deterministischen Welt gibt es keinen Platz mehr für einen freien Willen oder eine individuelle Verantwortung.

Einwände

klassische Mechanik

Das punktmechanischen Sonnensystem von Laplace wird durch einen Satz von Differentialgleichungen zweiter Ordnung bestimmt: die Beschleunigung des Körpers mit der Bezeichnung i ist gleich der dort herrschenden Gravitationsfeldstärke, wobei diese Feldstärke von allen andern Körpern gemäss des Newtonschen Gravitationsgesetzes aufgebaut wird

[math]\ddot {\vec s_i} = \vec g_i = G \sum_j \frac {m_j}{s_{ij}^3}\vec s_{ij}[/math]

Könnte man dieses System für eine feste Zahl n von Körpern geschlossen lösen, würden 6n skalare Anfangsbedingungen (für jeden Körper je drei Orts- und drei Geschwindigkeitskomponenten) die zeitliche Entwicklung des Systems vollständig festlegen. Weil diese 6n skalaren Anfangsbedingungen aus je einer reelle Zahlen und der Einheit bestehen, ist der Informationsgehalt jeder einzelner Anfangsbedingung (überabzählbar) unendlich gross und muss durch einen beliebig aufwendigen Messprozess möglichst genau eingegrenzt werden. Die Anfangsbedingung legt wohl die Zukunft fest, lässt sich aber nur durch einen iterativen Messprozess bestimmen und muss in einem in der Regel beliebig grossen Speicher abgelegt werden. Je genauer die Anfangsbedingungen bekannt sind, desto weiter kann man in die Zukunft sehen.

Chaos

Numerik

Thermodynamik

Relativitätstheorie

Quantenmechanik