Massenmittelpunkt, Kinematik
Mechanik basiert auf der Impuls- und der Drehimpulsbilanz. Mechanik ist aber auch Bewegungslehre (Kinematik). Nun hängt die Bewegung über die Geschwindigkeit und die Winkelgeschwindigkeit mit den Bilanzgleichungen zusammen, sind doch Geschwindigkeit und Winkelgeschwindigkeit die Potenziale (Füllhöhe im Flüssigkeitsbild und Energiebeladungsmass) des Impulses und des Drehimpulses.
In dieser Vorlesung werden Verbindungen zwischen Kinematik und Dynamik aufgezeigt. Da eine umfassende Darstellung den Rahmen dieser Vorlesung sprengen würde, beschränken wir uns auf die Aspekte, die für technische Anwendungen von grosser Bedeutung sind.
Lernziele
Massenmittelpunkt
Auf einer genügend langen Luftkissenbahn bewegen sich unterschiedliche Gleiter mit verschiedenen Geschwindigkeiten aufeinander zu. Sind die Gleiter mit Klettverschlüssen ausgerüstet, gleichen sich ihre Geschwindigkeiten an. Die Endgeschwindigkeit lässt sich ohne Kenntnis der Aufpralldynamik vorhersagen
- [math]v_e=\frac{\sum_i p_i}{\sum_i m_i}=\frac{p_{tot}}{m_{tot}}[/math]
Im Flüssigkeitsbild besagt diese Formel, dass die sich einstellende Füllhöhe gleich dem gespeicherten Volumen dividiert durch den totalen Querschnitt aller miteinander verbundenen Gefässe ist. Weil die Endgeschwindigkeit zum vornherein fest steht, postuliert man für jedes isolierte System eine charakteristische Geschwindigkeit, die gleich dem Quotienten aus gespeichertem Impuls und totaler Masse. Diese Idee lässt sich problemlos auf alle Richtungen ausdehnen
- [math]\vec v_{MMP}=\frac{\sum_i \vec p_i}{\sum_i m_i}=\frac{\vec p_{tot}}{m_{tot}}[/math]
Die sich einstellende Endgeschwindigkeit heisst Geschwindigkeit des Massenmittelpunktes (MMP) oder manchmal etwas ungenau Geschwindigkeit des Schwerpunktes. Dieser Name ist geometrisch zu begründen. Ersetzt man den Impuls der Teilsysteme durch das kapazitives Gesetz, erhält man die Geschwindigkeit als gewichtetes Mittel über alle Einzelgeschwindigkeiten
- [math]\vec v_{MMP}=\frac{\sum_i m_i\vec v_i}{\sum_i m_i}[/math]
Integriert man diese Gleichung beidseits über ein beliebiges Zeitintervall, erhält man den Ortsvektor für einen Punkt, den man Massenmittelpunkt nennt
- [math]\vec r_{MMP}=\frac{\sum_i m_i\vec r_i}{\sum_i m_i}[/math]
Der Massenmittelpunkt kann zu jeder Zeit für ein beliebiges, also auch nicht isoliertes System gerechnet werden. Setzt man die Geschwindigkeit des Massenmittelpunktes in die Impulsbilanz ein, erhält man die allgemeinste Form des Grundgesetzes der Mechanik
- [math]\sum_i \vec F_i+m\vec g=\dot{\vec p}=m\dot{\vec v}[/math]
Hier wird angenommen, dass das Gravitationsfeld homogen ist, also auf alle Teilsysteme gleich stark wirkt. Selbstverständlich dürfen in der Bilanz nur Stärken von den Impulsströmen gezählt werden, die über die Systemgrenze fliessen (äussere Kräfte).