Drehimpulsquelle und Bahndrehimpuls: Unterschied zwischen den Versionen
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#Wieso kann ein Rohr einen viel stärkeren Drehimpulsstrom längs seiner Achse transportieren als ein Stab, der aus gleich viel und demselben Material besteht? |
#Wieso kann ein Rohr einen viel stärkeren Drehimpulsstrom längs seiner Achse transportieren als ein Stab, der aus gleich viel und demselben Material besteht? |
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#Vergleichen Sie verschiedene Stäbe mit rechteckigem Vollquerschnitt. Bei welchem Seitenverhältnis und sonst gleichen |
#Vergleichen Sie verschiedene Stäbe mit rechteckigem Vollquerschnitt. Bei welchem Seitenverhältnis und sonst gleichen Bedingungen (Material und Fläche) kann der Stab am meisten Drehimpuls längs seiner Achse transportieren? |
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#Welches Profil eignet sich am besten, um den Drehimpuls seitwärts zu transportieren? Begründen Sie Ihre Antwort mit Hilfe der begleitenden Impulsströme. |
#Welches Profil eignet sich am besten, um den Drehimpuls seitwärts zu transportieren? Begründen Sie Ihre Antwort mit Hilfe der begleitenden Impulsströme. |
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#Welche Aussage bildet den Kern des [[Hebelgesetz]]es? |
#Welche Aussage bildet den Kern des [[Hebelgesetz]]es? |
Version vom 3. März 2016, 11:24 Uhr
Ein System kann Impuls speichern und auf drei verschiedene Arten austauschen. Die Stärke des leitungsartigen Impulstransports bezüglich der Systemoberfläche und des quellenartigen Austausches mit dem Gravitationsfeld nennt man Kraft. Eine analoge Unterscheidung macht beim Drehimpuls wenig Sinn, weil der Drehimpuls nicht lokalisierbar ist. Eine Dichte oder eine Stromdichte wie bei der elektrischen Ladung, dem Impuls oder der Entropie lässt sich beim Drehimpuls nicht definieren.
Geht man aber von ganzen Bauteilen aus, darf sehr wohl von einem Drehimpulsinhalt, einem Drehimpulsstrom oder einer Drehimpulsquelle gesprochen werden. Drehimpuls kann zudem in der gegenseitigen Bewegung zweier Körper als Bahndrehimpuls gespeichert sein.
Lernziele
In dieser Vorlesung lernen Sie
- wie bei der Torsion der Drehimpulsstrom von einem Impulswirbelstrom umströmt wird
- wie bei der Biegung der Drehimpulsstrom beidseitig von je einem Impulsstrom begrenzt wird
- dass das Hebelgesetz den Zusammenhang zwischen seitwärts fliessendem Impulsstrom und Drehimpulsquelle beschreibt
- dass ein reines Drehmoment ersatzweise durch ein Kräftepaar beschrieben werden kann
- wie man jedem Teilsystem einen Bahndrehimpuls bezüglich des Gesamtsystems zuordnet
- wie man in einem Gesamtsystem die einzelnen Drehimpulsspeicher identifiziert und
- wie man den Drehimpulsaustausch zwischen den einzelnen Drehimpulsspeicher im Flüssigkeitsbild visualisiert
Drehimpulsströme
Drehimpuls, der in einer Antriebswelle in seine eigene Richtung transportiert wird, verdreht die Welle zu einer Linksschraube. Wird ein Stab zu einer Rechtsschraube verformt, fliesst der Drehimpuls gegen seine Bezugsrichtung. Drehimpulsströme werden wie elektrische Ströme oft im Kreis herum geführt, wie man am Beispiel der Ständerbohrmaschine gut erkennen kann. Sobald der Bohrer am Werkstück ansetzt, bildet sich ein Kreisstrom aus. Dabei belädt der Motor den Drehimpulsstrom mit der Energie, die dieser bei der Schneide des Bohrers wieder frei setzt. Verfolgt man den ganzen Kreis, stellt man fest, dass der Drehimpuls beim vorwärts und rückwärts Fliessen das Bauteil auf Torsion beansprucht. Im Bohrtisch und der Halterung des Motors erzeugt der seitwärts fliessende Drehimpuls dagegen Biegung. Legt man eine Schnitt- oder Referenzfläche quer zum Drehimpulsstrom, nennt man die beiden so definierten Drehmomente je nach Belastung Torsionsmoment oder Biegemoment.
Torsion
Drehimpulsströme lassen sich nur indirekt, über die sie begleitenden Impulsströme, nachweisen. Wird ein Bauteil auf Torsion belastet, muss der Drehimpulsstrom von einem Impulsstrom umhüllt sein. Zeigt die z-Achse in Richtung des Drehimpulstransportes, wird die in z-Richtung fliessende Drehimpulskomponente von einem z-Impulsstrom vollständig umhüllt. Stellt man sich die Stromlinien des Impulswirbels als Höhenlinie vor, entspricht das Volumen des zugehörigen Berges der Stärke des Drehimpulsstroms. Im geschlossenen Rohr zeichnen die Stromlinien des Impulswirbels einen voluminösen Tafelberg, während beim offenen U-Rohr nur eine atollförmige Struktur mit kleinem Volumen zu erkennen ist. Deshalb ist ein offenes U-Profil viel weniger torsionssteif als ein geschlossenes Rohr. Eine analoge "Verweichlichung" stellt sich ein, wenn man ein Kartonrohr längs einer Mantellinie aufschlitzt. Der im Karton fliessende Impulsstrom wird beim Schlitz zur Umkehr gezwungen. Durch das Aufschneiden des Rohres verwandelt sich der breite Tafelberg in ein schmales Atoll. Weil man die Dichte eines quer fliessenden Impulsstromes Schubspannung nennt, spricht der Ingenieur hier von der Schubflussumkehr beim Schlitz.
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Vierkantrohr
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U-Profil
-
geschlitztes Rohr
Biegung
Drehimpuls, der quer zu seiner Bezugsrichtung fliesst, belastet das Bauteil auf Biegung. Im gebogenen Balken beranden seitlich verlaufende Impulsströme den Drehimpulstransport. Fliesst zum Beispiel z-Drehimpuls in x-Richtung, muss dieser Transport auf beiden Seiten, also in y-Richtung, durch einen x-Impulsstrom eingegrenzt sein. Ein H-Balken ist deshalb besonders biegesteif, weil in seinen Gurten grosse Impulsströme fliessen können. In einem Gurt fliesst der Impulsstrom vorwärts (Druck) und im andern rückwärts (Zug). So kann zwischen den beiden Gurten ein starker Drehimpulsstrom fliessen. Ein Vierkantprofil hat eine ähnliche Biegesteifigkeit wie der H-Träger, weist aber - wie weiter oben schon erklärt worden ist - zusätzlich noch eine grosse Torsionssteifigkeit auf.
Bei einem gebogenen Balken mit einem vollen Querschnitt nehmen die Zug- und Druckspannungen mit dem Abstand zur unbelasteten Mitte (neutralen Fasern) zu. Die Impulsströme sind demnach umso intensiver, je weiter entfernt sie von den neutralen Fasern durch den Balken fliessen. Analog zur Torsion darf man nun behaupten, dass der Drehimpulsstrom in der Mitte des Querschnitts, bei den neutralen Fasern, am stärksten ist und nach aussen progressiv abnimmt: der Drehimpulsstrom nimmt in einem beliebigen Querschnitt an den Stellen am stärksten ab, an denen die grössten Impulsstromdichten auftreten. An den beiden Aussenflächen, dort wo die Impulsströme am intensivsten sind, geht die Stärke des Drehimpulsstroms auf null zurück.
Spiegel
Betrachtet man die Bohrmaschine im Spiegel, fliesst der Drehimpuls in die andere Richtung, da im Spiegel eine Links- in eine Rechtsschraube übergeht. Weil gleichzeitig die Winkelgeschwindigkeit das Vorzeichen vertauscht, ändert sich am Energietransport nichts. Hinter dem Spiegel verwandelt sich ein rechtshändiges Koordinatensystem in ein linkshändiges, rechtsdrehende Propeller werden zu linksdrehenden und die Magnetfelder umhüllen den Strom im entgegen gesetzten Sinn. Dennoch ist die Welt hinter dem Spiegel für uns in Ordnung. Erst die neuere Physik hat gezeigt, dass es Prozesse gibt, die hinter dem Spiegel anders verlaufen als in der realen Welt.
Getriebe
Bei jedem Getriebe treffen mindestens drei Drehimpulsströme aufeinander. Im Getriebe selber wird die Energie von einem Drehimpulsstrom auf einen andern umgeladen, wobei oft ein Drehimpulsstrom ohne Energiebeladung über das Gehäuse fliesst. Anders beim Planetengetriebe! Bei diesem Gerät werden alle drei Drehimpulsströme über Wellen zu- oder abgeleitet. Da im stationären Betrieb aus der Drehimpulsbilanz ein Knotensatz wird, muss die Summe über alle drei Drehmomente gleich Null sein
- [math]M_S+M_H+M_T=0[/math]
Arbeitet das Planetengetriebe reibungsfrei, ist die Summe über alle Energieströme (Leistungen der Drehmomente) ebenfalls gleich Null
- [math]\omega_S M_S+\omega_H M_H+\omega_T M_T=0[/math]
Diese zwei Gleichungen verknüpfen zusammen mit der kinematischen Grundgleichung sechs Grössen (drei Winkelgeschwindigkeiten und drei Drehmomente).
Hebelgesetz
In einem verdrehten Balken fliesst der Drehimpuls in seine Bezugsrichtung, in einem gebogenen Balken seitwärts. Zudem wird jeder Drehimpulsstrom durch Impulsströme begrenzt (ein umhüllender Wirbelstrom bei Torsion, zwei Berandungsströme bei Biegung). Diese bildhafte Vorstellung ist wohl korrekt, aber leider noch nicht umfassend. Wie beim Impuls treten beim Drehimpuls neben den eigentlichen Strömen auch noch Quellen auf. Diese Quellen werden durch das Hebelgesetz beschrieben.
Betrachten wir dazu ein Körper, der an einem Galgen hängt. Der Galgen muss den vom Gravitationsfeld zugeführten z-Impuls ableiten. Im Seil herrscht Zug, weil der Impuls gegen seine Bezugsrichtung abgeführt wird. Oben im Querbalken erzeugt dieser Impulsstrom eine Hebelwirkung. Der dort gegen die x-Achse fliessende z-Impulsstrom würde den ganzen Galgen in negativer Richtung um die y-Achse in Rotation versetzen, wenn dieser nicht im Boden verankert wäre. Wir erklären diese Wirkung nun mit Hilfe einer Drehimpulssenke (negative Quelle), deren Stärke proportional zur Stärke des querfliessenden Impulsstromes und zum zugehörigen Stromabschnitt ist
- [math]\Sigma_{Ly}=\Delta x I_{pz}[/math]
Hier sind sowohl die Drehimpulssenke ΣLy als auch Δx negative Grössen. Die Drehimpulssenke wird vom Boden her gespiesen. Deshalb erfährt der vertikale Teil des Galgens eine konstante Biegung. Im horizontalen Teil nimmt die Biegung in Richtung der x-Achse ab. Im vertikalen Teil des Galgens fliesst der von der Last herkommende z-Impuls nach unten. Dieser primäre Impulsstrom wird durch einen viel stärkeren Kreisstrom überlagert, welcher den von unten nach oben fliessenden Drehimpulsstrom berandet.
Ein in positive x-Richtung fliessender z-Impulsstrom erzeugt eine y-Drehimpulsquelle. Nun induziert auch ein x-Impulsstrom, der in z-Richtung fliesst, eine y-Drehimpulssenke. Fasst man beide Einflüsse zusammen, folgt für die Quellenstärke
- [math]\Sigma_{Ly}=\Delta x I_{pz}-\Delta z I_{px}[/math]
Werden die Indices x, y und z zyklisch vertauscht, erhält man ein in Komponenten dargestelltes Vektorprodukt. Dieses Vektorprodukt beschreibt das Drehmoment eines Kräftepaares. Tritt nämlich ein beliebiger Impulsstrom in einen Körper ein und an einer andern Stelle wieder aus, bilden die Stromstärken an der Ein- und Austrittsfläche ein Kräftepaar (F, -F). Die durch den querfliessenden Impuls erzeugte Drehimpulsquelle darf nun als Drehmoment dem Kräftepaar zugeordnet werden
- [math]\vec M=\vec r\times\vec F[/math]
Hier zeigt der Vektor r von der als negativ bezeichneten zur positiven Kraft des Paares.
Beispiel 1: Beim waagrechten, zweiarmigen Hebel mit angehängten Lasten, fliesst von beiden Seiten je ein z-Impulsstrom gegen die Drehachse (erstes Bild unten). Dabei erzeugt der in positive x-Richtung fliessende Strom eine Quelle und der von der andern Seite her kommende Strom eine Senke bezüglich des y-Drehimpulses. Zum Ausgleich muss im Hebel y-Drehimpuls von den Quellen zu den Senken, also in x-Richtung, transportiert werden. Dieser Drehimpulsstrom nimmt von der Einleitung des einen z-Impulsstromes her gegen die Drehachse linear zu, um dann bis zur Stelle, wo der andere z-Impulsstrom eingeleitet wird, wieder auf null abzufallen. Das Hebelgesetz sorgt dafür, dass sich die Quellen und Senken die Waage halten. Die den Drehimpulsstrom begrenzenden x-Impulsströme belasten den Hebel auf Zug (Oberseite des Hebels) und auf Druck (Unterseite des Hebels), wobei diese Stromstärken bei der Drehachse am stärksten sind. Dort würde der Hebel bei Überlast auch brechen.
Beispiel 2: Man zerbricht einen Bleistift, indem man ihn mit beiden Händen umfasst und mit abgespreizten Daumen gegen die restlichen Finger drückt (zweites Bild unten). So erzeugt man mit beiden Händen im Bleistift je einen querfliessenden Impulsstrom (grün), die eine Quelle bzw. eine Senke für bezüglich des Drehimpulses bilden (nicht skizziert). Der Drehimpuls der von den Quellen der einen Hand zu den Senken der andern fliesst, erzeugt einen Impulswirbelstrom (rot), der den Stift schlussendlich zerstört.
Beispiel 3: Wirbelströme bilden sich auch dann, wenn das Hebelgesetz nicht direkt angewendet werden kann. Setzt man zum Beispiel einen Bügel unter Zug (drittes Bild unten), erzeugt der durchfliessende Impulsstrom (rot) beim seitwärts Fliessen Quellen und Senken bezüglich des Drehimpulses (nicht skizziert). Der dadurch ausgelöste Drehimpulsstrom muss wiederum von Wirbelströmen umflossen sein (grün in den beiden Schenkeln und rot im mittleren Teil).
-
Zweiarmiger Hebel
-
Bleistift zerbrechen
-
Bügel unter Zug
Kraft und Drehmoment
Die Stärken der Impuls- und Drehimpulsströme bezüglich eines Körpers nennt man Kräfte bzw. Drehmomente. Um den Transport dieser beiden vektorartigen Grössen zu beschreiben, muss ein raumfestes Koordinatensystem eingeführt werden. Dieses Weltsystem zerlegt Impuls und Drehimpuls in sechs Komponenten, die einzeln zu bilanzieren sind und deren Ströme in je einem Strombild dargestellt werden können. Zwischen diesen Strömen und den Material- bzw. Bauteilreaktion gelten folgende Zusammenhänge
- bei Zugspannung fliesst der Impuls rückwärts, bei Druckbelastung vorwärts
- bei Scherspannung wird die entsprechende Impulskomponente seitwärts transportiert
- die neun Komponenten der Impulsstromdichte werden als 3x3-Matrize geschrieben. Diese Matrize bildet bis aus das Vorzeichen den Spannungstensor.
- der Impulsaustausch mit dem Gravitationsfeld erfolgt quellenartig, also über den ganzen Körper verteilt.
- Drehimpuls, der in einer Antriebswelle vorwärts transportiert wird, verformt diese zu einer Linksschraube
- rückwärts fliessender Drehimpuls erzeugt eine rechtsschraubige Verdrehung
- seitwärts fliessender Drehimpuls erzeugt Biegung
- Drehimpulsquellen entstehen, sobald Impuls in einem Bauteil seitwärts fliesst (Hebelwirkung)
Eine Kraft ist eine Impulsstromstärke oder Impulsquellenstärke bezüglich eines ausgewählten Systems. Analog dazu beschreibt ein Drehmoment die Stärke eines Drehimpulsstromes oder eine Drehimpulsquelle bezüglich eines Bauteils. Drehimpulsquellen, also Drehmomente, die von quer fliessenden Impulsströmen erzeugt werden, ordnet man in der Regel einem Kräftepaar oder einer einzelnen Kraft zu. Beim Kräftepaar fliesst der Impuls ungeschmälert durch einen Teil des Körpers hindurch. Der Körper tauscht dann nur Drehimpuls, aber keinen Impuls mit der Umgebung aus. Wirkt eine einzelne Kraft so auf einen Körper ein, dass seine Wirklinie nicht durch den Massenmittelpunkt geht, fliesst der damit verbundene Impulsstrom im Mittel seitwärts bis zum Massenmittelpunkt des Körpers. In diesem Fall ordnet man das zugehörige Drehmoment der Einzelkraft zu (mehr zu diesem Thema in der nächsten Vorlesung).
Beispiel 4: Zweimotoriges Flugzeug
Die Propeller einiger zweimotoriger Flugzeuge drehen gegeneinander. Nun tauscht jeder Propeller Impuls und Drehimpuls mit der Luft aus. Wählt man die positive Richtung nach vorn, entziehen die Propeller der Luft Impuls und leiten diesen ans Flugzeug ab. Die Stärke dieses Impulsstromes wird als Schubkraft bezeichnet. Weil der vom Pilot aus gesehen rechte Propeller in negative und der linke in positiv Richtung dreht, fliesst der Drehimpuls rechts rein und links wieder hinaus. Der rechte Motor fördert den Drehimpuls vom negativ drehenden Propeller an das nicht rotierende Flugzeug. Danach pumpt der linke Motor diesen Drehimpuls von Flugzeug an den positiv drehenden Propeller weg. Die Stärke des rechts zufliessenden Drehimpulsstroms darf als positives und die Stärke des links abfliessenden als negatives Drehmoment bezeichnet werden. Der in den Flügeln seitwärts strömende Drehimpuls erzeugt Biegung, womit die Flügelspitzen nach unten gedrückt werden. Diese Verformung wirkt der durch den Auftrieb erzeugten Biegung entgegen.
Bahndrehimpuls
Eine um ihre Symmetrieachse rotierender Unterlegscheibe speichert eine stationäre Impulsverteilung. Wohl bewegt sich jeder Teil der Scheibe auf einer Kreisbahn, doch ändert sich dadurch die räumliche Verteilung des Impulses nicht. Die rotierende Unterlegscheibe speichert zudem Drehimpuls, wobei der Impuls das mit Drehimpuls "gefüllte" Gebiet umgibt. Nun kann man jedem Teil der rotierenden Unterlegscheibe einen Bahndrehimpuls bezüglich des Zentrums der Scheibe zuordnen. Dieser Bahndrehimpuls ist gleich Impuls mal Abstand zur Scheibenmitte.
Jeder Teilkörper eines Systems besitzt einen Bahndrehimpuls, dessen Betrag gleich Impuls mal Abstand zum Gesamtmassenmittelpunkt ist. Der Vektor des Bahndrehimpulses steht normal zur Ebene, welche von einer Geraden in Richtung des Impulses und Massenmittelpunkt gebildet wird
- [math]\vec L_B=\vec r\times\vec p[/math]
Der Vektor r zeigt vom Massenmittelpunkt des Gesamtsystems zum entsprechenden Teilkörper. Zudem ist der Impuls p des Teilkörpers vom Ruhesystem des Massenmittelpunktes aus zu messen.
Die Definition des Bahndrehimpulses ermöglicht nun die Berechnung des Massenträgheitsmoments. Dazu zerlegen wir den mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotierenden Körper in ganz kleine Teile. Der Gesamtdrehimpuls ist dann gleich der Summe über alle Bahndrehimpulse der Einzelteile
- [math]\vec L=\sum_i(\vec r_i\times\vec p_i)=\sum_i(\vec r_i\times\vec m_i v_i)=\sum_i\left(\vec r_i\times\vec m_i (\vec \omega\times r_i)\right)[/math]
Nun wird die Winkelgeschwindigkeit ausgeklammert und das doppelte Vektorprodukt durch ein gewöhnliches Produkt ersetzt. Dazu führen wir den Radius Ri ein, der von der momentanen Drehachse radial weg zum Teilkörper i zeigt
- [math]L=\left(\sum_i m_i R_i^2\right)\omega=J\omega[/math]
Das Massenträgheitsmoment eines Körpers bezüglich einer momentanen Drehachse ist gleich der Summe über alle Massen seiner Teile mal das Quadrat des zugehörigen Abstandes von der Drehachse.
Mit Hilfe der allgemeinen Formel [math]J=\sum_i m_i R_i^2[/math] lässt sich das Massenträgheitsmoment einfacher Körper bezüglich einer ausgewählten Drehachse berechnen
- Massenträgheitsmoment bezüglich beliebiger Achse durch Mitte der Vollkugel: [math]J_K=\frac 25 mr^2[/math]
- Massenträgheitsmoment bezüglich Symmetrieachse eines Vollzylinders: [math]J_Z=\frac 12 mr^2[/math]
- Massenträgheitsmoment bezüglich Achse normal und mittig zu langem Stab: [math]J_{St}=\frac{ml^2}{12}[/math]
Bahn- und Eigendrehimpuls
Das System Erde-Mond weist drei verschiedene Speicher für Drehimpuls auf. Erde und Mond speichern infolge ihrer eigenen Rotation Eigendrehimpuls. Zusätzlich enthält das System noch Bahndrehimpuls. Der Eigendrehimpuls berechnet sich aus Massenträgheitsmoment und Winkelgeschwindigkeit, der Bahndrehimpuls ist gleich [math]\vec r_{Mond}\times\vec p_{Mond}[/math] und [math]\vec r_{Erde}\times\vec p_{Erde}[/math], wobei der Distanzvektor r vom Gesamtmassenmittelpunkt zum Zentrum des jeweiligen Himmelskörpers zeigt. Ein interessantes Phänomen bildet die Gezeitenreibung. Erde und Mond bremsen sich über das Gravitationsfeld in ihrer Rotation gegenseitig ab. Die Erde hat den kleineren Mond schon dazu gebracht, dass er ihr immer die gleiche Seite zuwendet und der Mond hat die Länge des Erdentages schon ziemlich gedehnt. Im Endzustand werden sich Erde und Mond immer die gleiche Seite zuwenden. Infolge Gezeitenreibung geht der Eigendrehimpuls von Erde und Mond nach und nach in den Bahndrehimpuls des Gesamtsystems über. Damit das System Erde und Mond diesen Drehimpuls aufnehmen kann, entfernen sich die beiden Himmelskörper immer weiter voneinander. Vor mehreren hundert Millionen Jahren hatte das Jahr über 400 Tage und der Vollmond erschien deutlich grösser am Himmel.
Beispiel 5: Ein durch die Luft fliegendes Motorrad kann in seiner Rotation um die Querachse mit Brems- und Gashebel beeinflusst werden. Denkt man sich das Motorrad in die beiden Räder und den Rest zerlegt, darf jedem dieser drei Körper ein Eigen- und ein Bahndrehimpuls zugeschrieben werden. Dennoch besitzt das Gesamtsystem nur drei Speicher für Drehimpuls. Neben den beiden Rädern, die je um ihren eigenen Schwerpunkt rotieren, müssen der Drehimpuls des Motorrads (M für Motorrad) und die Bahndrehimpulse der beiden Räder (h für hinten und v für vorne) zu einer Einheit zusammengefasst werden
- [math]L_h=J_h\omega_h[/math]
- [math]L_v=J_v\omega_v[/math]
- [math]L=L_M+L_{Bahn_M}+L_{Bahn_h}+L_{Bahn_v}=(J_M+m_Mr_M^2+m_hr_h^2+m_vr_v^2)\omega[/math]
Die Radien rM, rh und rv zeigen vom Gesamtmassenmittelpunkt zu den Massenmittelpunkten der drei Teilkörper. Im Flüssigkeitsbild sind somit drei Töpfe zu zeichnen, zwischen denen Drehimpuls ausgetauscht werden kann. Werden die Bremsen gezogen, gleichen sich die Niveaus aus. Mit Gas geben kann der Niveauunterschied zwischen Motorrad und Hinterrad vergrössert werden. Im skizzierten Flüssigkeitsbild drehen die beiden Räder unterschiedlich schnell und das Motorrad kippt rückwärts weg. Mit Hilfe der Bremse kann nun der Motorradfahrer Drehimpuls aus den Rädern an den Töff abfliessen lassen. Bremst er zu stark, dreht sich das ganze Motorrad zum Schluss wie ein starrer Körper. Die zugehörige Winkelgeschwindigkeit kann direkt dem Flüssigkeitsbild entnommen werden.
Kontrollfragen
- Wieso kann ein Rohr einen viel stärkeren Drehimpulsstrom längs seiner Achse transportieren als ein Stab, der aus gleich viel und demselben Material besteht?
- Vergleichen Sie verschiedene Stäbe mit rechteckigem Vollquerschnitt. Bei welchem Seitenverhältnis und sonst gleichen Bedingungen (Material und Fläche) kann der Stab am meisten Drehimpuls längs seiner Achse transportieren?
- Welches Profil eignet sich am besten, um den Drehimpuls seitwärts zu transportieren? Begründen Sie Ihre Antwort mit Hilfe der begleitenden Impulsströme.
- Welche Aussage bildet den Kern des Hebelgesetzes?
- Wie lässt sich ein reines Drehmoment mit Hilfe von Kräften darstellen?
- Was versteht man unter dem Bahndrehimpuls und wie wird dieser berechnet?
- Was muss ein durch die Luft fliegender Motorradfahrer tun, damit sich sein Motorrad hinten absenkt?
Antworten zu den Kontrollfragen
- Ein Stab, der verdreht wird, transportiert Drehimpuls vorwärts oder rückwärts. Dieser Drehimpulsstrom muss von einem Impulswirbelstrom umhüllt werden (Drehimpuls und Impuls gehören zu gleichen Komponente). Weil sich die Stromstärke des Drehimpulses zu den Stromlinien des Impulswirbels wie das Volumen eines Berges zu den Höhenlinien verhält, kann durch ein dünnwandiges Rohr (ausgedehnter Tafelberg) ein viel stärker Drehimpulsstrom fliessen als durch einen Stab mit gleichem Querschnitt (kompakter Hügel).
- Der Stab mit dem quadratischen Querschnitt kann unter sonst gleichen Umständen am meisten Drehimpuls vor- oder rückwärts transportieren.
- Das H-Profil vermag sehr viel Drehimpuls seitwärts zu transportieren. Dabei fliessen in den Gurten starke Impulsströme, welche den Drehimpulstransport beranden.
- Das Hebelgesetz besagt, dass ein seitwärts fliessender Impulsstrom Drehimpulsquellen erzeugt. Die Stärke dieser Quelle ist gleich Stärke des Impulsstromes mal die Strecke, um die der Impuls seitwärts transportiert wird.
- Ein reines Drehmoment wird mit Hilfe eines Kräftepaares erzeugt (Grösse der einen Kraft mal Abstand der beiden Wirklinien).
- Jedem Teil eines Gesamtsystems muss ein Bahndrehimpuls zugeschrieben werden. Dieser Drehimpuls ist gleich Impuls des Teils mal Abstand des Massenmittelpunktes des Teilkörpers vom Massenmittelpunkt des Gesamtsystems.
- Gibt der Fahrer Gas, dreht sich das Hinterrad schneller. Das Antriebssystem pumpt demnach Drehimpuls aus Töff und Fahrer ins Hinterrad. Weil das Motorrad dabei Drehimpuls verliert, beginnt es sich rückwärts zu drehen.