Flüssigkeitsbild der Wärme

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Das Flüssigkeitsbild dient in der Elektrodynamik, der Translationsmechanik und der Rotationsmechanik dem Verständnis von Speichervorgängen. Wer das Bild einzusetzen weiss, kann Ausgleichsvorgänge zwischen Kondensatoren, Stösse zwischen zwei oder mehreren Körpern, das Verhalten ganzer Eisenbahnzüge und die Dynamik von Schwungrädern einfacher analysieren. In der Thermodynamik ist das Flüssigkeitsbild ebenfalls einsetzbar. Nur muss man dabei ein zwei Dinge beachten.

Analogien

Die Analogie zwischen Hydrodynamik, Elektrodynamik, Mechanik und Thermodynamik basiert auf einer allgemeinen Systemtheorie. Für folgende Elemente und Gesetzmässigkeiten ist die Analogie perfekt

Analogon Hydrodynamik Elektrodynamik Translationsmechanik Rotationsmechanik Thermodynamik
Basismenge Volumen elektrische Ladung Impuls Drehimpuls Entropie
Potenzial Druck el. Potenzial Geschwindigkeit Winkelgeschwindigkeit Temperatur
zugeordneter Energiestrom [math]I_W = p I_V[/math] [math]I_W = \varphi I[/math] [math]I_W = v_x I_{px}[/math] [math]I_W = \omega_x I_{Lx}[/math] [math]I_W = T I_S[/math]
Prozessleistung [math]P = \Delta p I_V[/math] [math]P = \Delta \varphi I[/math] [math]P = \Delta v_x I_{px}[/math] [math]P = \Delta \omega_x I_{Lx}[/math] [math]P = \Delta T I_S[/math]

Diese Analogie erklärt in allen Gebieten die Primärgrösse, das zugehörige Potenzial sowie die Rolle der Energie. Für alle diese Erscheinungen liefert der Wasserfall das Urbild.

Eigenheiten der Entropie

Reale Prozesse heissen irreversibel, weil sie zeitlich nur in eine Richtung ablaufen können. Verantwortlich für die Richtung des Zeitpfeils ist die Entropie. Die Entropie kann erzeugt, aber nicht vernichtet werden. Nimmt man einen realen Prozess auf DVD aufgenommen und spielt danach die Aufnahme ab, erkennt jeder, ob der Film vor- oder rückwärts abgespielt wird. Im rückwärts laufenden Film wird massenhaft Entropie vernichtet und das widerspricht unserer Erfahrung zutiefst.

Die produzierte Entropie berechnet sich für alle Prozesse nach der gleichen Formel

[math]\Pi_S = \frac{P_{diss}}{T}[/math]

Die Temperatur T muss an dem Ort gemessen werden, an dem die Entropie produziert wird. In Entropie produzierenden Prozessen wird die Energie in einem Primärprozess freigesetzt und dann auf die produzierte Entropie umgeladen. Aber nur in der Thermodynamik sind Energie freisetzende Menge und produzierte Menge identisch.

Wärmeleitung

Bei der Wärmeleitung wird die Entropie total irreversibel durch die Materie transportiert. Um diesen Prozess ins allgemeinen Schema einzupassen, zerlegen wir die Wärmeleitung in einen reversiblen Prozess mit nachfolgender Entropieproduktion am Ausgang des Wärme leitenden Teils. Die bei der reversiblen Wärmeleitung von der Entropie freigesetzte Leistung ist gleich

[math]P = (T_1 - T_2) I_{S1}[/math]

Weil aber die Wärmeleitung total irreversibel verläuft, wird nun mit der freigesetzten Leistung Entropie produziert

[math]\Pi_S = \frac {P}{T_2} = \frac {(T_1 - T_2)I_{S1}}{T_2}[/math]

Zwischen der Entropiestromstärke am Ein- und am Ausgang besteht somit die folgende Beziehung

[math]I_{S2} = \Pi_S + I_{S1} = \frac {(T_1 - T_2)I_{S1}}{T_2} + I_{S1}[/math]

Wird diese Gleichung mit der Temperatur am Ausgang (T2) multipiziert, kann man erkennen, dass der Energiestrom längs der Wärmeleitung konstant ist

[math]T_2 I_{S2} = T_1 I_{S1} =I_W[/math]

Der Umstand, dass bei der Wärmeleitung die Energie in thermischer Form erhalten bleibt, ist also keineswegs trivial. In allen andern Gebieten der Physik geht freisetzbare Energie im Sinne von Arbeitsvermögen "verloren", weil Entropie erzeugt wird und die Energie der Temperatur entsprechend an der Entropie "haften bleibt". Will man die Unterscheidung zwischen freisetzbarer Energie und einfach nur bilanzierbarer Energie auch in der Thermodynamik beibehalten, muss man von der Idee eines reversibel geführten Prozesses ausgehen. Wie bei einem Pumpspeicherwerk fliesst dann die Entropie von einer Maschine geführt hinunter oder hinauf. Die Maschine entzieht oder übergibt dabei dem Entropiestrom die notwendige Energie.

Analogie zur Gravitation

Erfolgt der Wärmetransport zwischen zwei Systemen absolut reversibel, kann der Temperaturausgleich mit Hilfe des Flüssigkeitsbildes analysiert werden.

zwei Stauseen

Ein Stausee sei mit einem zweiten See über ein Pump-Kraft-Werk verbunden. Von beiden Seen sind zwei Funktionen bekannt: die Masse und die Gravitationsenergie des Wassers in Funktion der Füllhöhe. Wird nun Wasser hin und her geführt, sind die Füllzustände der beiden Seen über die Massenbilanz miteinander verbunden. Die bei reversibler Prozessführung im Werk umgesetzte Energie ist gleich der Differenz der beiden Gravitationsenergien.

Ist der eine See beliebig gross, kann aus der Änderung der Füllhöhe im andern See die geflossene Masse und die Energieänderung berechnet werden. Die von dieser Masse mit dem grossen See ausgetauschte Energie ist dann gleich Masse mal Gravitationspotential des grosse Sees oder gleich Masse mal Gravitationsfeldstärke mal absolute Höhe des Spiegels des grossen Sees.

zwei temperierte Körper

Ersetzt man nun Masse durch Entropie und Gravitationsenergie durch Enthalpie, erhält man das thermische Flüssigkeitsbild.

Ein Körper sei über eine ideale Wärmekraftmaschine mit einem zweiten verbunden. Entropie und Enthalpie sind für beide Körper in Funktion der Temperatur und des Aggregatzustands bei konstant gehaltenem Druck bekannt. Nun sind Anfangs- und Endzustand der beiden Körper über die Entropieerhaltung miteinander verknüpft und die in der Wärmekraftmaschine umgesetzte Energie ist gleich der Differenz der beiden Enthalpieänderungen.

Handelt es sich beim zweiten Körper um die Umwelt, ist die mit der Umwelt in Form von Wärme ausgetauschte Energie gleich ausgetauschte Entropie mal Temperatur der Umwelt.

Übungsbeispiele: